Der Vorstand der Deutschen Bahn schlägt seinem Aufsichtsrat vor, den Tiefbahnhof zu bauen und dafür den Finanzierungsrahmen auf 6,5 Milliarden Euro zu erhöhen. Der Einsatz der Bahn erhöht sich von 1,7 auf 3,7 Milliarden Euro.

Stuttgart - Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn soll am 5. März den Weg frei machen für den Weiterbau von Stuttgart 21. Das sei wirtschaftlicher als ein Projektabbruch, durch den Ausstiegskosten für den Schienenkonzern von zwei Milliarden Euro entstünden. Der DB-Vorstand räumt nun auch höhere Baukosten ein. Statt 4,33 Milliarden Euro werden jetzt sicher mindestens 5,987 Milliarden Euro benötigt. Der Aufsichtsrat soll zudem den Gesamtfinanzierungsrahmen erhöhen, um weitere Risiken abzusichern. Dieser betrug seit 2009 exakt 4,526 Milliarden, jetzt werden 6,526 Milliarden Euro anvisiert. Damit erhöhen sich die Eigenmittel der Bahn bei Stuttgart 21 von 1,7 auf 3,7 Milliarden Euro.

 

Das geht aus Unterlagen für diese Sitzung hervor, die der Stuttgarter Zeitung auszugsweise vorliegen. Ein Bahn-Sprecher sagte, er kenne die Papiere nicht und könne deshalb keine Stellungnahme abgeben. Er verwies auf die Sitzung des Aufsichtsrats am 5. März.

Die Bahn hält das Land nicht für entgegenkommend

Die Bahn ist aber nicht gewillt, das unkalkulierbare Finanzierungsrisiko bis zur Fertigstellung alleine zu tragen. Zwar ist in der Vorlage keine Rede mehr davon, dass der Bund als Eigentümer der Bahn Mehrkosten übernehmen könnte, etwa indem er den Tiefbahnhof und seine Zulaufstrecken zu Bundesprojekten macht; es sind die Projektpartner, auf die der Bahnvorstand zugehen will. Aus diesem Grund hat der Technikvorstand Volker Kefer vertragliche Ansprüche zur Finanzierung aller Mehrkosten oberhalb der alten Vereinbarung geltend gemacht, in dem er die „Sprechklausel“ zog.

Bisher habe sich das Land nicht entgegenkommend gezeigt, erfährt der Aufsichtsrat. Selbst die Finanzierung von überschaubaren Mehrkosten, die aus der Schlichtung resultieren, würde abgelehnt. Lediglich das Thema Filderbahnhof könne wohl separat diskutiert werden – aber auch da will das Land erst einmal wissen, ob die Alternativtrasse so viel teurer als die Antragsversion ist, wie die Bahn behauptet.

Der Aufsichtsrat erfährt, dass es nur die Wahl zwischen Fortführung und Ausstieg gebe. Alternativen wie etwa die Variante des Schlichters Heiner Geißler, der sowohl oben als auch unten Züge fahren lassen würde, seien wegen des Zeitbedarfs für Umplanungen von rund zehn Jahren unrealistisch. In die Vergleichsbetrachtung hätten die Gutachter die „mittlerweile entscheidungsrelevanten Ausstiegskosten“ einbezogen; sie seien jetzt relevanter als noch 2009. So habe sich der Rückzahlungsanspruch der Stadt (Grundstücke und Zinsen) auf 795 Millionen Euro erhöht. Weitere 1,089 Milliarden Euro resultierten aus bereits kassierten Zuschüssen und den zu erwartenden Schadenersatzzahlungen (548 Millionen). Allerdings verzögere sich das Projekt erneut. Mit einer Inbetriebnahme sei erst Ende 2022 zu rechnen, drei Jahre später als vereinbart.

Nur mit den Ausstiegskosten ist S 21 knapp wirtschaftlich

Es ist derzeit unklar, ob alle 20 Aufsichtsräte dem Weiterbau zustimmen. Einige befürchten, in Regress genommen zu werden, wenn sie einem Projekt zustimmen, das sich am Ende nicht rechnet. Denn die Verzinsung des eingesetzten Kapitals wäre beim „Extremszenario“ – die Bahn müsste tatsächlich 3,7 Milliarden Euro einsetzen – negativ. Nur mit Hilfe der Anrechnung von Ausstiegskosten erreicht S 21 ganz knapp einen Habenzins. Die Entscheidung für den Weiterbau und gegen den Erhalt des Kopfbahnhofs hängt laut Bahnunterlagen an gerade einmal 77 Millionen Euro (Kapitalwert). Würde das Projekt nur unwesentlich teurer oder der Ausstieg etwas günstiger, wäre S 21 wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll.

Eine Mehrheit im Land sieht das schon so. Nach einer von der taz und der „Kontext-Wochenzeitung“ bei TNS Emnid in Auftrag gegebenen Umfrage unter 1500 Bürgern lehnen 54 Prozent S 21 ab, 39 Prozent befürworten es. Gefragt wurde, ob die Bürger in Anbetracht der Kostensteigerung für einen Weiterbau von S 21 oder den Erhalt des Kopfbahnhofs seien. Die Fehlermarge bei der Umfrage beträgt 1,6 Prozentpunkte nach oben und unten.

Weitere Informationen für den Bahn-Aufsichtsrat

Inflation
Die Bahn hat für die Inflation Vorsorge getroffen und 330 Millionen Euro bereitgestellt. Der Prozentsatz wurde bei 1,5 Prozent jährlich belassen. Müsste man zwei Prozent ansetzen, bräuchte man weitere 110 Millionen Euro. Für diese Erhöhung sieht die Bahn aber „derzeit keine Indikationen“.

Inbetriebnahme
Die Bahn hatte zwischen der Finanzierungsvereinbarung 2009 bis zur Volksabstimmung im November 2011 eine Inbetriebnahme von S 21 für Ende 2019 in Aussicht gestellt. Danach waren „alle Baumaßnahmen auf den Inbetriebnahmetermin Ende 2020 ausgerichtet“. Erst vor zehn Tagen räumte der Gesamtprojektleiter Stefan Penn eine Verschiebung auf Ende 2021 ein. Der neuesten Kalkulation ist der Termin Ende 2022 für S 21 und die Neubaustrecke unterstellt. Der Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) geht davon aus, dass Stuttgart 21 nicht vor 2025 in Betrieb gehen kann.