Die Deutsche Bahn bekennt sich zu ihren vertraglichen Verpflichtungen bei der Umgestaltung des Bahnknotens im Rahmen des Projekts Stuttgart 21. Die Gegner sehen hingegen in dem Milliardenvorhaben großes Sparpotenzial – und machen konkrete Vorschläge.
Stuttgart - Mit einer „qualifizierten Ausgabensteuerung“ will die Deutsche Bahn ihrem aktuellen Finanzproblem begegnen. Ausgaben im nennenswertem Umfang werden auch bei Stuttgart 21 fällig. Derzeit werden diese auf 8,2 Milliarden Euro taxiert. Führt die Misere des Schienenkonzerns dazu, dass S 21 abgespeckt wird oder die laufenden und noch ausstehenden Arbeiten gestreckt werden? „Das kann ich definitiv ausschließen“, sagt ein Bahn-Sprecher in Berlin bestimmt auf eine Anfrage unserer Zeitung. „Wir kommen unseren vertraglichen Verpflichtungen im vollem Umfang nach.“ Der Bahn-Sprecher betont, es gelte der Beschluss des Aufsichtsrats der DB AG vom Januar dieses Jahres. Die Aufseher hatten damals nach langen Beratungen den Finanzierungsrahmen um 1,7 Milliarden auf 8,2 Milliarden Euro angehoben und den Inbetriebnahmetermin auf 2025 verschoben.
Verkehrsclub will am Flughafen sparen
Dass die Bahn S 21 ausklammert, wenn es darum geht, die Finanzlage in den Griff zu bekommen, stößt bei Gegnern des Vorhabens auf Unverständnis. Darin liege „ein gigantisches Sparpotenzial“. Eisenhart von Loeper, Sprecher des Aktionsbündnisses gegen S 21, sagt: „Bahn-Chef Richard Lutz schweigt zu den Milliardenverlusten, die das Infrastrukturprojekt Stuttgart 21 dem Konzern beschert.“ Der Jurist streitet derzeit vor Gericht in Berlin um Einsicht in das Zahlenwerk, das zu der Aufsichtsratsentscheidung geführt hat. Matthias Lieb, Landesvorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), sieht Spielräume beim noch nicht begonnenen Flughafenanschluss. „Auf den unterirdischen Fernbahnhof am Flughafen kann man problemlos verzichten. So ließe sich in den nächsten Jahren rund eine Dreiviertelmilliarde Euro einsparen.“ Vor knapp einem Jahr hatte unsere Zeitung über Gedankenspiele der Bahn berichtet, den Halt am Flughafen statt in 27 Meter Tiefe unter der Messepiazza nördlich der Autobahn 8 anzulegen – in einfacherer Ausführung. Die übrigen Projektpartner erteilten dem eine Abfuhr.
Etwas mehr als drei Milliarden sind ausgegeben
Aktuell sind für die neuen Bahnhöfe, Tunnel und Strecken, an denen seit Februar 2010 gearbeitet wird, 3,023 Milliarden Euro ausgegeben worden. Nimmt man die vertraglich vereinbarten, aber noch nicht abgerechneten Arbeiten dazu, erhöht sich der Betrag auf 4,114 Milliarden Euro. Im Finanzierungsvertrag aus dem Jahr 2009 einigten sich Stadt, Land, Region, Flughafen und Bahn auf die Verteilung der Kosten in der damals vorgesehenen Höhe von 4,5 Milliarden Euro. Strittig ist seit den Kostensteigerungen, wer für die darüber hinaus gehenden Summen aufkommen soll. Da Gespräche zu keinem Ergebnis geführt haben, hat die Bahn Ende 2016 Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart eingereicht, um eine Beteiligung der übrigen Partner an den Mehrkosten zu erstreiten. Am Wochenende hatte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) gegenüber der Deutschen Presse-Agentur den zähen Fortgang des Verfahrens moniert. Das Land habe eine Erwiderung auf die Klage der Bahn eingereicht. Diese habe allerdings bis heute nicht geantwortet.
Sehen Sie im Video einen Überblick über die wichtigsten Fakten zu Stuttgart 21: