Das Eisenbahn-Bundesamt sagt, die umstrittene Fällung der Trauerweide im Zuge der Stuttgart-21-Arbeiten am Bahnhof Feuerbach sei rechtmäßig. Stuttgart-21-Gegner zweifeln dies an und streben eine rechtliche Prüfung an.
Feuerbach - Feuerbacher Bürgerinnen und Bürger trauern um die Trauerweide, die bis zum 3. Dezember 2015 hier stand“, steht auf einem Blatt Papier. Die Notiz befindet sich am Bahnhof Feuerbach nahe der Stelle, wo früher der Baum wurzelte. Darunter hat jemand ein schwarzes Kreuz gemalt und „unvergessen“ geschrieben. Das dort stehende rote Grablicht vom Vortag ist wieder verschwunden.
„Ich kann nicht verstehen, warum man den Kran, dem die Trauerweide weichen musste, genau an dieser Stelle aufstellen muss und nicht ein paar Meter weiter“, sagt ein Anwohner. 14 Tage nach Fällung stößt das Vorgehen der Bahn bei den Stuttgart-21-Gegnern auf massive Kritik.
Resolution im Bezirksbeirat eingebracht
Im Jahr 2013 sei „auch auf Initiative des Bezirksbeirats ausdrücklich vom Kommunikationsbüro der Erhalt der Trauerweide in einer Presseerklärung zugesichert worden“, schreibt der SÖS-Linke-PluS-Bezirksbeirat und Mitglied der Initiative „Feuerbach für K 21“ Roland Saur in einer Stellungnahme, die er am Dienstagabend im Bezirksbeirat einbrachte, die eine knappe Unterstützer-Mehrheit im Bezirksbeirat fand. Gleichzeitig schickte er eine Anfrage an Alice Kaiser, die Projektbeauftragte der Stadt für Stuttgart 21: „Wann ist dieses Baulogistik-Konzept, dem die Trauerweide zum Opfer gefallen ist, entstanden und in welcher Form wurde dafür eine Genehmigung erteilt?“, fragt er bei Kaiser nach. Bereits am Tag der Fällung gab er nach eigenen Angaben eine Anzeige bei der Polizei auf.
Rudolf Pfleiderer, stellvertretender Sprecher des Landesnaturschutzverbandes (LNV) in Stuttgart, zweifelt die Rechtmäßigkeit der Fällung wie Saur an: „Nach Auffassung der Umweltverbände wäre für das Fällen der Trauerweide eine Bilanzierung des Eingriffs und eine Eingriffs-/Ausgleichsregelung erforderlich gewesen“, sagt Pfleiderer. Die Bahn tue jetzt so, als ob sie auf freiwilliger Basis den Bürgern eine neue Trauerweide spende.
Die Bahn hatte als Ausgleichsmaßnahme angeboten, an anderer Stelle in Bahnhofsnähe eine Trauerweide mit einer Höhe zwischen 7 und 9 Metern und einem Stammumfang zwischen 60 und 90 Zentimeter zu pflanzen (wir berichteten).
Landesnaturschutzverband kritisiert Verfahren
Pfleiderer hat sich unterdessen an die Umweltmeldestelle der Landesregierung gewandt. In dem Schreiben führt er unter anderem den Planfeststellungsbeschluss für den Abschnitt 1.5 vom 13. Oktober 2006 an und weist darauf hin, dass die Trauerweide weder darin, noch im landschaftspflegerischen Begleitplan (LBP) erwähnt werde. Unter ihrem lateinischen Namen „salix sp.“ taucht die Weide allerdings schon im LBP auf. Im gleichen Schreiben argumentiert Pfleiderer, dass die Baustelleneinrichtungsfläche (BE) „überhaupt nicht Gegenstand von öffentlich ausgelegten Planunterlagen und damit auch nicht Gegenstand der Anhörung“ gewesen sei. Die für die Genehmigung der Stuttgart-21-Pläne zuständige Behörde, das Eisenbahn-Bundesamt (Eba), widerspricht Pfleiderers Darstellung: Die Baustelleneinrichtungsfläche sei Gegenstand einer Planänderung im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens gewesen. Die Planänderung betreffend die Personenunterführung im Bahnhof Feuerbach sei von der DB als Vorhabenträgerin noch während des Anhörungsverfahrens beantragt worden. „Laut Anhörungsbericht wurde die ergänzende Anhörung vom Regierungspräsidium Stuttgart am 27. Januar 2005 durchgeführt“, schreibt eine Eba-Mitarbeiterin.
Pfleiderer hat diesen Passus aus seinem Schreiben gestrichen. „Meine Behauptung, die BE sei nicht Gegenstand einer Anhörung, muss ich zurücknehmen“, sagt er. Ansonsten bleibt er dabei: „Eine ergänzende Anhörung hat es aber nur wegen der Verschiebung der Personenunterführung gegeben. Dazu wurde nach bisherigen Kenntnisstand nur der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club gehört.“ Die Umweltverbände seien an der ergänzenden Anhörung seinerzeit nicht beteiligt gewesen, sagt der stellvertretende Sprecher des LNV. Und selbst wenn die Umweltverbände gehört worden wären, so Pfleiderer weiter, „hätten wir keine Chance gehabt, zu bemerken, dass die Trauerweide betroffen ist.“ Denn weder im Erläuterungsbericht noch im LBP stehe etwas über die Trauerweide.
Artenschutzrechtliches Gutachten wurde erstellt
Was die Fällung angeht, hat das Eba dem LNV schriftlich geantwortet: „Dieser Baum, der gemäß ihrer Meldung am 3. 12. 2015 gefällt wurde, stand auf einer planfestgestellten Baustelleneinrichtungsfläche.“ Und eben diese Fläche sei Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses vom 13. Oktober 2006 gewesen. Die Fällung sei also rechtens gewesen. Für Jörg Hamann, Sprecher des Bahnprojektes Stuttgart 21, ist damit eigentlich alles gesagt: „Wir haben alles, was rechtlich geboten ist, getan.“ Die Eba-Pressesprecherin Heike Schmidt verweist zudem darauf, dass im Vorfeld der Rodung die DB Projekt Stuttgart-Ulm am 16. November eine „Untersuchung von Bäumen auf artenschutzrechtlich relevante Arten“ vorgelegt habe. Aus der Expertise, die der Nord-Rundschau vorliegt, geht hervor, dass neben der Trauerweide eine Robinie und eine Kastanie auf der anderen Seite des Bahnhofsgebäudes unter die Lupe genommen wurden. Ergebnis: „Keiner der drei untersuchten Bäume bietet Quartiermöglichkeiten für Höhlenbrüter wie Fledermäuse oder höhlenbrütende Vögel. Für geschützte Käferarten in den Faulstellen der Trauerweide ergaben sich keine konkreten Hinweise.“