Ende September wird das neue Stresstest-Ergebnis vorgelegt. Die geforderte Bestnote für S21 wird verfehlt, das führt erneut zu Debatten.

Stuttgart - Der Technikvorstand der Bahn, Volker Kefer, will dem Verkehrsministerium Ende September die Ergebnisse der Simulation vorlegen, mit der er die Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs nachweisen will. Dieser zweite Test ist nötig geworden, da die Gutachterfirma SMA wegen Unstimmigkeiten und Fehlern eine Korrektur verlangt hatte. So war keine der fünf Anforderungen des Landes an den Zukunftsfahrplan vollständig erfüllt.

 

Würden alle unberücksichtigten Problemfälle eingespeist, fiele das Ergebnis schlechter aus als das unlängst im Rathaus präsentierte. An der positiven Einschätzung der Projektbefürworter ändert das nichts: Kefer hat Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) mitgeteilt: "Der Stresstest ist erfolgreich abgeschlossen."

Uneinigkeit über Stresstest

Für die S-21-Gegner hat die Bahn hingegen das Klassenziel verfehlt, weil sie den in der Schlichtung gemeinsam vereinbarten Leistungsnachweis für den Tiefbahnhof nicht erbracht habe. 49 Zugankünfte in der Spitzenstunde müssten mit der Bestnote "gute Betriebsqualität" bewältigt werden können, hieß die Forderung. Für die Bahn hat es im Stresstest aber nur zur zweitbesten Zensur, "wirtschaftlich optimal", genannt, gereicht.

"Werden jetzt alle Versäumnisse im zweiten Test berücksichtigt, wird ein Mangelhaft draus", prophezeit OB Boris Palmer (Grüne). Schlechter ginge es dann nicht mehr. Für den Tübinger OB hat die Bahn komplett versagt. Aber obwohl er den Nachweis geführt habe, halte sich in der Öffentlichkeit der Eindruck, der Stresstest sei mit Glanz und Gloria bestanden.

Wie das? Die Bahn und die Fraktionschefs von CDU und SPD, Peter Hauk und Claus Schmiedel, haben erfolgreich den Eindruck erweckt, mit der Note 2 sei die Forderung erfüllt, eine Eins abzuliefern. Das Hauptargument der S-21-Befürworter: Die Bestnote zu erreichen, sei "wirtschaftlich nicht sinnvoll", es sei folglich absurd, dass die Grünen genau dies verlangten.

Tiefbahnhof "wirtschaftlich optimal"

Diese Einschätzung ist für die Kritiker aber ebenso unsinnig wie der Versuch der Befürworter, Palmer zu unterstellen, er habe seine Forderung unsauber formuliert, in dem er Heiner Geißler die seit 2008 nicht mehr richtlinienkonforme Bezeichnung "gute Betriebsqualität" ins Schlichterspruchkonzept diktiert hatte. Das unterstellt übrigens jener Konzern, den die SMA dafür rügte, beim Stresstest nicht überall "die fachlich korrekten, richtlinienkonformen" Qualitätsbegriffe verwendet zu haben. Bei der Wahl "einer Entsprechung" für Palmers Kriterium "gut" habe man sich für "wirtschaftlich optimal" entschieden, so die Bahn. Oder einfach gesagt: aus Note 1 mach 2. Die einzige "Entsprechung" für die alte Bestnote "gut" in der Richtlinie 405 wäre aber die neue Bestnote "Premium": Nur dieses Prädikat wird Bahnhöfen und Strecken verliehen, die wegen ihrer Kapazität Verspätungen "deutlich verringern". Der Tiefbahnhof kann das nicht.

Den Kritikern erscheint der Versuch von Politik und Bahn, Begriffsverwirrung zu betreiben, durchsichtig. Nicht ein Experte hatte sich beim Verfassen des Schlichterspruchs an der Formulierung gestoßen. Den Bahnfachleuten selbst ist sie noch geläufig. 2009, als "gut" längst "Premium" war, strebte jedenfalls die "DB Netz grundsätzlich eine gute Betriebsqualität an". Das Fundstück ist ein Fachbuch über Eisenbahnbetriebstechnologie, an dem Thorsten Schaer mitwirkte - der Bahnexperte saß bei der Stresstest-Präsentation im Rathaus auf der Befürworterseite.

Die Projektbefürworter haben sich in eine Zwickmühle manövriert: Mit der Begründung, "gute" oder Premium"-Dimensionen seien für den Tiefbahnhof aus wirtschaftlichen Gründen nicht erstrebenswert, stellt sie alle Netzteile in Frage, die diese Note aufweisen: den Kopfbahnhof beispielsweise, oder die Stuttgart-21-Version, mit der man die Verwaltungsrichter überzeugt hatte; es sei "nachvollziehbar", dass der Gutachter Schwanhäußer dem Durchgangsbahnhof eine "gute bis sehr gute Betriebsqualität bescheinigt", heißt es in einem Urteil.

Vor allem aber stellen die Fraktionschefs von CDU und SPD die schwach ausgelastete Neubaustrecke nach Ulm in Frage. Weil sie Verspätungen deutlich verringern kann, erhielt sie von SMA das Premium-Prädikat verliehen.

Ist sie also auch "wirtschaftlich nicht sinnvoll"? Wäre es - nach Schmiedel - "absurd", sie zu bauen? Die Bahn hält "den Rückschluss, dass der Premiumqualität eine zu geringe Auslastung zugrunde liegt", für unzulässig. Für CDU-Chef Hauk ist "der Kampf um Begrifflichkeiten nicht zielführend". Er spricht von "Wortklauberei". Und: Die Premium-Strecke (Note 1) sei wegen des positiven Nutzen-Kosten-Faktors "wirtschaftlich optimal" (Note 2).