Während die Bahn beim Bau des Herzstücks von Stuttgart 21, dem Tiefbahnhof, die zweijährige Verspätung noch immer nicht aufgeholt hat, geht’s beim Brückenbau voran. Die Neckarbrücke soll bis Ende 2019 stehen.

Stuttgart - Dass das gesamte Projekt Stuttgart 21 einschließlich der Neubaustrecke nach Ulm tatsächlich im Jahr 2021 in Betrieb geht, daran glaubt kaum noch jemand. Zwei Jahre Aufholbedarf beim Bau des Tiefbahnhofs hat die Bahn identifiziert, und der Pressesprecher der DB Projekt Stuttgart-Ulm-GmbH, Jörg Hamann, sagt: „Wir arbeiten noch immer am Aufholen.“ Das gilt freilich nicht für die beiden Brücken, die derzeit über den Neckar sowie über das Filstal geschlagen werden und die von der Bahn wie manch anderer Baufortschritt auch als „Meilensteine“ tituliert werden. Eigens um den Baufortschritt zu illustrieren, hatte die Bahn am Mittwoch zur Pressekonferenz geladen: Am Abend wollte das Unternehmen dann unter dem Titel „Brückenschlag in die Zukunft“ die Öffentlichkeit über die zum Einsatz kommende Technik informieren.

 

Da ist zum einen die vom renommierten Stuttgarter Ingenieurbüro Schlaich, Bergermann und Partner konzipierte Neckarbrücke – ein Bauwerk von knapp 350 Metern Länge, 24 Metern Höhe und bis zu 70 Metern Spannweite zwischen den einzelnen Brückenpfosten, dessen Baukosten mit 40 Millionen Euro veranschlagt sind. „Wir liegen im Zeitplan und im Budget“, sagt der bei der Bahn verantwortliche Projektabschnittsleiter Christoph Lienhart. Die neue Eisenbahnbrücke soll das westliche mit dem östlichen Neckarufer zwischen dem Bootsanlieger an der Wilhelma und der Schönestraße verbinden.

Die Konstruktion der Neckarbrücke ist weltweit einmalig

Mike Schlaich, dessen Büro vor 19 Jahren den Wettbewerb um das Bauwerk gewonnen hat, spricht voller Enthusiasmus über das Projekt: „Die Konstruktion ist eine Weltneuheit.“ Es ist eine Mischform aus Trog- und Schrägseilbrücke, die Schlaich und sein Team entworfen haben. Die Beton- und Stahlkonstruktion macht nach Angaben von Lienhart „große Fortschritte“ und soll Ende 2019 stehen.

Der Bau im Heilquellenschutzgebiet galt als riskant – die Bahn hatte eigens Vorkehrungen getroffen, um einen Austritt von Mineralwasser zu verhindern. Die Vorrichtungen dafür sind mittlerweile wieder abgebaut, es sei kein Mineralwasser ausgetreten, versichert der Abschnittsleiter.

Sebastian Heer, Leiter des Neckarbrücken-Baus, erklärt die Konstruktion im Video:

Diffizile Rahmenbedingungen beim Bau der Filstalbrücke

Auch sein Kollege Jörg Müller, der für den Bau der Filstalbrücke zwischen dem Boßlertunnel und dem Steinbühltunnel am Albanstieg verantwortlich zeichnet, ist zuversichtlich, dass die Brücke bis 2021 betriebsbereit ist. Auch er hatte und hat mit Herausforderungen zu kämpfen: Überschwemmungsflächen der Fils, Trinkwasserschutzgebiete und Eidechsenhabitate erschweren die Gründung der Brückenpfeiler. Das Bauwerk überspannt als Teil der ICE-Neubaustrecke nach Ulm auf einer Länge von 485 Metern und in einer Höhe von 85 Metern das Filstal und die Autobahn A 8 bei Wiesensteig zwischen den beiden Tunnelmündern. Das Auftragsvolumen für die Brücke, die wie die Neckarbrücke vom bayerischen Bauunternehmen Max Bögl erstellt wird, liegt bei mehr als 50 Millionen Euro und soll sich „filigran in die Landschaft einfügen“, wie Müller sagt. Die Rahmenbedingungen seien aber „diffizil“.

Der Aufsichtsratschef des Bauunternehmens, Johann Bögl, ist ebenfalls zufrieden. Seine Firmengruppe verdient am Projekt Stuttgart 21 insgesamt rund eine halbe Milliarde Euro: Bögl baut auch am Fildertunnel mit sowie an der Brücke bei Denkendorf. Nicht unwahrscheinlich, dass die beiden Brücken nach pünktlicher Fertigstellung erst einmal von technisch interessierten Fußgängern für eine Besichtigung in Beschlag genommen werden, bevor irgendwann der erste Zug darüber rollt.