Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)


Die ersten Bohrungen für Stuttgart 21 machten die Nordschwarzwälder schon 1995. "Damals waren die Anwohner noch begeistert von uns und dem Projekt", erinnert sich die Chefin wehmütig. Das hat sich gründlich geändert. Inzwischen werde man beschimpft und bedroht. "Ihr bohrt Euch Euer eigenes Grab", heiße es in E-Mails. Burkhardt solle sich aus dem Auftrag zurückziehen, "sonst würden wir sehen, was passiert". Die Erfahrungen auf der Baustelle sind für die Bohrspezialisten ebenfalls wenig erquickend. Ohne Polizeischutz gehe gar nicht, morgens verzögere sich wegen Demonstranten der Arbeitsbeginn, abends die Heimreise; einmal war das komplette Arbeitsgerät über Nacht in Folie verpackt. Mitarbeiter würden "beschimpft und bespuckt", sie seien "vollkommen frustriert", klagt Anita Burkhardt. Jeder Tag, an dem nicht gearbeitet werden könne, koste das Unternehmen 5000 Euro. Nach den "langen Verzögerungen durch die Schlichtung" hofft die Chefin nun, dass es zügig weitergeht und ihre Leute "endlich wieder gerne nach Stuttgart fahren".

Ähnliche Erfahrungen wie die Burkhardts hat die Baumfällfirma Gredler&Söhne aus Karlsdorf-Neuthardt gemacht - nur dass der Chef Stefan Gredler nicht (mehr) darüber reden möchte. Gredlers Leute waren es, die in der Nacht zum 1. Oktober unter massivem Polizeischutz die Platanen im Schlossgarten fällten, zersägten und an Ort und Stelle schredderten. Während sie unter dem ohnmächtigen Protest der Demonstranten ihren Auftrag erledigten, standen auf einer Internetseite schon Adresse und Telefonnummer der Firma: "Das sind die Schweine, die unsere Bäume fällen." Ein Geheimnis war das nicht, denn die Webadresse prangte unübersehbar auf einem Baggerarm.

"Lasst die Firmen und ihre Mitarbeiter in Ruhe"


Das Anprangern der "Baummörder" fand in den Onlineforen indes ein geteiltes Echo. Nicht die Holzfäller seien "der Feind", hieß es dort mahnend, sondern ihre Auftraggeber bei Politik und Bahn; Gredler & Co. dienten denen nur als Instrument. "Lasst die Firmen und ihre Mitarbeiter in Ruhe", appellierte ein Projektkritiker. Die "Handlanger" der Mächtigen, wurde dem entgegengehalten, hätten kein Mitleid verdient; wenn die Fällfirma pleitegehe, habe sie das verdient.

Auch bei Gredler wurde umgehend "schwarzer Filz" vermutet. Die Firma sitze im Wahlkreis von Innenminister Heribert Rech (CDU), war schnell recherchiert - jenem Ressortchef, der den Polizeieinsatz am schwarzen Donnerstag zu verantworten hatte. Das sei bestimmt kein Zufall, folgerten argwöhnische S-21-Gegner. Er habe mit der Auftragsvergabe nichts zu tun, ließ Rech dementieren. Gredler&Söhne sei ebenfalls ein Subunternehmer von Hölscher, hieß es bei der Bahn, bei Hölscher herrschte auch dazu Schweigen.

Umweltministerin Tanja Gönner empörte sich derweil, wie man solche Zusammenhänge überhaupt unterstellen könne. Sie habe "mit der Vergabe von Aufträgen für das Grundwassermanagement genau null zu tun", beteuerte die CDU-Frau, auf ihren Auftritt bei der Parteifreundin Burkhardt angesprochen. Wenn derlei Verdächtigungen Schule machten, könne sie womöglich "sämtliche Terminanfragen von Firmen in diesem Land nicht mehr annehmen" - was sicher auch niemand wolle.