Die Bahn hat am Dienstag im Technischen Ausschuss ihr vorläufiges Brandschutzkonzept für den Tiefbahnhof präsentiert. Nicht nur die Stuttgarter Feuerwehr, auch die Stadträte pochen darauf, dass es bei der Sicherheit keine Abstriche geben darf.

Stuttgart - Die Bahn und die Stuttgarter Feuerwehr sind sich über die notwendigen Maßnahmen zum Brandschutz für den Stuttgart-21-Tiefbahnhof nach wie vor nicht einig. Während die Branddirektion an dem von der Bahn im Gutachten des Büros Klingsch dargelegten Flucht- und Entrauchungskonzept nach wie vor zweifelt, sieht die Bahn in dem vorliegenden Arbeitsstand eine gute Basis für die weitere Diskussion.

 

Dass Vertreter der Bahn am Dienstag im Technischen Ausschuss Bericht erstattet haben, ist das Resultat einer kritischen Stellungnahme der Schweizer Brandschutzexperten der Gruner AG. Diese hatten die vom ebenfalls renommierten Büro Klingsch im Auftrag des Bahnhofsarchitekten Christoph Ingenhoven konzipierten Pläne für den Ernstfall aufgrund diverser Mängel als derzeit nicht genehmigungsfähig eingestuft und bauliche Änderungen an der Bahnhofshalle angeregt. Die Experten prognostizierten wegen zu schmaler und zu langer Fluchtwege Gefahr für die Passagiere. Das Evakuierungskonzept der Bahn, das für die Selbstrettung einen Zeitraum von 23 bis maximal 32 Minuten vorsieht, sei nicht ausreichend. Die Expertise verweist auf die Versammlungsstättenverordnung sowie auf Bahn-eigene Richtlinien, die wesentlich kürzere Evakuierungszeiträume vorsehen.

Bahn: Eigene Richtlinie hat für Großbahnhof keine Gültigkeit

Die Bahn hält dagegen: Bahnhöfe seien Sonderbauten, für die die genannte Bauordnung keine Gültigkeit habe, erläuterte der DB-Brandschutzexperte Marc Willich. Und auch die Vorschrift aus dem Handbuch der DB-Tochter Station und Service, wonach die Selbstrettungsphase spätestens nach 15 Minuten abgeschlossen sein müsse, komme bei unterirdischen Großbahnhöfen nicht zur Anwendung. Zusätzlich zur Entrauchung der Bahnhofshalle über geöffnete Lichtaugen und durch die Zuluft aus den Tunneln denkt die Bahn nach Angaben von Sven Hantel, Bereichsleiter für die DB-Stationen im Südwesten, nun über den Einbau von acht zusätzlichen Fluchttreppen auf den Bahnsteigen nach. Dies sei aber aus architektonischer Sicht „kritisch“. Alternativ werde derzeit der Einbau einer Wassersprühnebelanlage geprüft, die den Zugbrand zwar nicht löschen, aber eindämmen könnte. „Wir können nachweisen, dass bei der Evakuierung kein Risiko für Personen besteht“, beteuerte Hantel. Erst kürzlich hatte er die Kritik am Brandschutzkonzept bei einem Auftritt vor der IG Bürger für Stuttgart 21 als aufgebauscht und völlig überzogen bezeichnet.

Der Chef der Branddirektion, Frank Knödler, blieb skeptisch: „Ich bin sehr gespannt auf den Nachweis.“ Knödler betonte, er halte es für falsch, dass der Brandalarm wie vorgesehen erst bei der Einfahrt in den Bahnhof und nicht schon im Tunnel ausgelöst werde. Durch eine technische Nachrüstung könne man „Zeit gewinnen, um Leben zu retten“. Zudem sieht die Feuerwehr Schwierigkeiten, im Ernstfall entgegen den Passagierströmen zum Brandherd vorzudringen. Laut Knödler kann dies 30 Minuten dauern. Auch die Stadträte wollen bei der Sicherheit keine Abstriche zulassen. Grünen-Fraktionschef Peter Pätzold verwies auf die Risikoliste des Ex-S-21-Projektleiters Hany Azer, in der das Brandschutzkonzept aufgeführt war. Unter Hinweis auf die derzeit getestete Wassersprühnebelanlage sagte Pätzold: „Die Bahn betreibt Grundlagenforschung, während das Projekt in der Bauphase ist.“ Gangolf Stocker (SÖS/Linke) meldete ebenfalls Zweifel an der Funktionsfähigkeit der Anlage an. Andreas Reißig (SPD) betonte, man müsse den Brandschutz und Ängste in der Bevölkerung ernst nehmen. Allerdings habe er nicht den Eindruck, dass die Bahn die Risiken herunterspiele.

CDU-Fraktionschef Kotz: Nicht alles in Frage stellen

Der CDU-Fraktionschef Alexander Kotz sagte, es dürfe kein Abrücken von Sicherheitsstandards geben. Er halte es aber für schwierig, wenn Nichtbrandschutzexperten alles infrage stellten: „Da ist die Feuerwehr gefordert.“ Der Einbau der Wassersprühnebelanlage klinge zwar „etwas abstrus. Aber ich konnte mir auch nicht vorstellen, das es mal Faxgeräte geben würde.“ Der FDP-Stadtrat Günter Stübel erklärte, der Brandschutz könne zum Zünglein an der Waage für die Akzeptanz des Projekts werden. Bis Anfang 2013 will die Bahn ihr Konzept dem Eisenbahn-Bundesamt zur Genehmigung vorlegen.