Falls die Genehmigungsverfahren weiter so zäh verlaufen, würde Stuttgart 21 frühestens 2024 fertig. Ab Mehrkosten von 1,8 Milliarden Euro wäre es für die Bahn unwirtschaftlich. Das belegt ein internes Dossier des Verkehrsministeriums. Die Bahn-Aufsichtsräte des Bundes dringen vor dem Treffen am Dienstag darauf, Ausstiegsvarianten zu prüfen.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Stuttgart - Die Bundesregierung lehnt weitere Milliardenausgaben für Stuttgart 21 ab und dringt im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn (DB) auf die Prüfung von Alternativen. Ein internes Dossier des Verkehrsministeriums zeigt außerdem: das Bahnprojekt, das statt 4,5 nun bis zu 6,8 Milliarden Euro kosten soll, würde frühestens 2024 fertig, falls sich die Genehmigungsverfahren weiterhin so in die Länge ziehen, wie das bisher der Fall war. Für die Bahn bliebe das Projekt nur dann wirtschaftlich, wenn der Eigenanteil des Staatskonzerns an den Mehrkosten weniger als 1,8 Milliarden Euro betrage.

 

Das vertrauliche 15-seitige Dokument aus dem Haus von Minister Peter Ramsauer (CSU) wurde zum Treffen der DB-Aufsichtsräte am Dienstag erarbeitet und liegt der Stuttgarter Zeitung vor. Erstmals wird öffentlich, wie kritisch die drei Vertreter des Bundes im Bahn-Aufsichtsrat das Projekt S 21 und die Arbeit der Manager um Bahn-Chef Rüdiger Grube bewerten. Demnach sieht der Bund als Eigentümer der Bahn „derzeit keine ausreichende Grundlage“ für eine Zustimmung zum Vorschlag Grubes, das Milliardenprojekt weiterzuführen. Wörtlich heißt es: „Die Argumente, eine weitere Finanzierung nicht abzulehnen, sind zu schwach.“ Die Aufseher thematisieren eine Vielzahl von Risiken und wollen mehr Zeit sowie bessere Informationen zur ausgiebigen Prüfung.

Das Verkehrsministerium kritisiert die Bahn heftig

In dem Dokument der Ministeriumsleitung werden auch die Antworten der DB-Spitze zu den 134 Fragen des Aufsichtsrats sowie mehrere aktuelle Gutachten ausgewertet. Die Ergebnisse sind brisant. Demnach ist Stuttgart 21 für den Konzern unwirtschaftlich, wenn die von ihm zu tragenden Mehrkosten 1,8 Milliarden Euro überschreiten. Zudem befürchtet das Ministerium eine weitere Terminverzögerung. Nach Angaben der Bahn ergebe sich allein aus der „realistischeren Veranschlagung der Planfeststellungsdauer ein zusätzlicher Verzug von 32 Monaten“, so das Dossier. Demnach würde Stuttgart 21 erst 2024 fertig. Offiziell beteuert die DB bis jetzt noch, S 21 werde 2020 fertig.

Der Bahn-Vorstand wird von den Experten des Ministeriums massiv kritisiert. Der DB-Spitze wird vorgeworfen, den Aufsichtsrat zu spät, unzureichend und sogar falsch informiert zu haben. So sei es unrichtig, dass die Gesamtfinanzierung von S 21 noch gesichert sei. Deshalb könne der Bund auch keine weiteren Zahlungen für das Projekt mehr freigeben. Die von der DB ermittelten Mehrkosten seien „nur teilweise belastbar und keineswegs abschließend“.

Das Bundesverkehrsministerium wollte Fragen der StZ zu dem Dossier nicht beantworten. Bei Stuttgart 21 sei der Bund kein Projektpartner, erklärte eine Sprecherin von Minister Peter Ramsauer. Die Deutsche Bahn erklärte, eine Beantwortung der Fragen zu möglichen weiteren Terminverschiebungen oder zur Wirtschaftlichkeit von S 21 sei so kurzfristig „nicht möglich“.