In acht Jahren sollen die ersten Züge im neuen Tiefbahnhof einfahren. Doch solange die Bäume im Baufeld und der Südflügel stehen, sind die Tunnelarbeiten blockiert.

Stuttgart - Nach dem Votum der Bürger für den Weiterbau von Stuttgart 21 Ende November hatte die Bahn angekündigt, im neuen Jahr durchstarten und die Arbeiten zügig vorantreiben zu wollen. In acht Jahren, so die Ansage des Projektsprechers Wolfgang Dietrich, würden die ersten Züge im neuen Stuttgarter Tiefbahnhof einfahren. Wenige Tage nach Neujahr ist dieser Zeitplan allerdings schon gehörig ins Wanken geraten: So ruhen nach einem gerichtlich verordneten Baustopp nicht nur die Arbeiten am Grundwassermanagement, auch die geplante Rodung des Baufeldes im Schlossgarten könnte sich entscheidend verzögern. Zudem müssen auch für den Abriss des Südflügels neue Artenschutzauflagen erfüllt werden.

 

Wie berichtet, hat das Eisenbahnbundesamt (Eba) als Aufsichtsbehörde noch kein grünes Licht für das Versetzen und Fällen der 176 Bäume gegeben. Die Bonner Behörde hatte die Bahn im Oktober 2010 verpflichtet, ihre Schutzmaßnahmen für den Juchtenkäfer sowie Vogel- und Fledermausarten darzulegen. Die eingereichten Pläne werden laut Eba-Sprecher derzeit aber noch von der Behörde selbst und dem Stuttgarter Regierungspräsidium geprüft.

In Kürze das Okay

Die Bahn sei zuversichtlich, in Kürze das Okay zu bekommen, erklärte dazu gestern ein Sprecher. Der Artenschutz sei ein ständiger Prozess. Man habe zuletzt im Dezember Zusatzgutachten nachgereicht, etwa über die Winterquartiere von Fledermäusen. Die habe man nicht im Sommer in Auftrag geben können, so der Sprecher. Die Bahn gehe „aufgrund der Rechts- und Sachlage trotz der Verzögerung fest davon aus, die Baumarbeiten wie vorgesehen bis zum 29. Februar abschließen zu können“.

Scheitern könnte dieser Plan auch am Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim, der im Dezember einer Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) stattgegeben und sämtliche Arbeiten am Grundwassermanagement gestoppt hatte. Die Naturschützer hatten in ihrem Eilantrag geltend gemacht, dass bei der in einer Planänderung vorgenommenen Zentralisierung der Anlage im Schlossgarten die Belange des Artenschutzes nicht berücksichtigt wurden. In ihrer Urteilsbegründung, die seit gestern Nachmittag vorliegt, haben die Richter ausgeführt, dass „von der aufschiebenden Wirkung der Klage alle Maßnahmen erfasst werden, die der Verwirklichung der zentralisierten Wasseraufbereitungsanlage dienen“. Dazu gehörten auch Infiltrationsbrunnen und die Rohrleitungen. In diesem Umfang, müssten „Vollzugsmaßnahmen vorläufig unterbleiben und dürfen insbesondere keine Baumfällarbeiten durchgeführt werden“.

„Von den Juristen geprüft“

Der BUND folgert daraus nun, dass im Schlossgarten so lange keine Bäume gefällt werden dürfen, bis das vom VGH verordnete ergänzende Artenschutzverfahren abgeschlossen ist – was noch Wochen dauern kann. „Die Leitungen verlaufen auch in der Nähe des Baufelds, damit müssen auch dort die Arbeiten ruhen“, betonte der Landesgeschäftsführer Berthold Frieß am Mittwoch auf Anfrage. Die Bahn teilte dazu mit, „dass die Urteilsbegründung und die Folgen noch von den Juristen geprüft“ werde.

Sollte das Baufeld mit Beginn der Vegetationszeit am 1. März nicht wie geplant geräumt sein, steht der Bahn als Bauherrin von S 21 ein erheblicher Zeitverzug ins Haus. Nach bisherigem Plan soll im Sommer mit den Tunnelarbeiten für den Tiefbahnhof begonnen werden, wozu auch die Verlegung des Nesenbachdükers gehört. Diese Arbeiten würden sich mindestens um ein halbes Jahr verschieben, da die Bäume dann erst in der nächsten vegetationsfreien Zeit im Herbst versetzt und gefällt werden könnten. Was das für Planung und Kosten des auf 4,5 Milliarden Euro gedeckelten Projekts bedeutet, ist bei der Bahn laut Sprecher aber kein Thema. „Mit diesem Szenario beschäftigen wir uns nicht.“

Optimale Bedingungen

Nach der Ankündigung der Polizei, die Planung für den Einsatz rund um das Zeltdorf zu stoppen, bleibt aber auch im Idealfall nicht mehr viel Puffer. Zwar ist die von der Stadt verhängte Allgemeinverfügung, dass das Zeltlager bis zum 12. Januar abgebaut werden muss, nach wie vor gültig, so der Stadtsprecher Markus Vogt. Sollten die Bewohner aber nicht freiwillig gehen, wovon auszugehen ist, braucht die Polizei nun einen gewissen Vorlauf für den Einsatz.

Schwer abzuschätzen ist zudem, wie lange es dauert, die Bäume im Schlossgarten fachgerecht „abzuräumen“. Nach Empfehlung der Sachverständigen sollen 68 der 176 Bäume versetzt und die restlichen gefällt werden, was laut Bahn-Sprecher bei optimalen Bedingungen sowie Tag- und Nachtschichtbetrieb mindestens drei Wochen dauert. Die Entscheidung, wie viele Bäume tatsächlich verpflanzt werden, steht zudem auch noch aus. Die Landesregierung will sich laut Sprecher Rudi Hoogvliet nächste Woche in einer Kabinettssitzung festlegen.

Zu den vorbereitenden Arbeiten gehört zudem der für nächste Woche geplante Abriss des Südflügels, für den das Eba weitere Auflagen verhängt hat. Demnach muss die Bahn sicherstellen, dass durch die Erschütterungen nicht die Winterruhe der Fledermäuse im Schlossgarten gestört wird. Laut Bahn-Sprecher wird nun kurzfristig noch ein Gutachten nachgereicht: „Wir können nächste Woche beginnen.“ Die Grünen im Landtag wollen den Abriss angesichts der Unklarheiten dennoch stoppen. Die Bahn müsse auf jegliche Arbeiten am Bahnhof und im Schlossgarten verzichten, so der Fraktionsvize Andreas Schwarz, „solange kein vollständiges Baurecht vorliegt“.