Ein vertrauliches Dossier des Verkehrsministeriums fordert eine Prüfung, ob der Konzernvorstand für die explodierenden Kosten bei Stuttgart 21 haftet. Auch an der Verlängerung der Vorstandsverträge wird Kritik geübt.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Stuttgart - Neue Details aus einem internen Gutachten zu Stuttgart 21 erhöhen den Druck auf die Deutsche Bahn (DB). Das Dossier des Bundesverkehrsministeriums, das der Stuttgarter Zeitung vorliegt, wirft die Frage auf, ob der Bahnvorstand wegen der Mehrkosten von mindestens 1,1 Milliarden Euro regresspflichtig gemacht werden kann. „Es sollte geprüft werden, ob diese Verantwortung in konkreten Personen, insbesondere Vorständen, zu verorten ist“, schreibt das Ministerium. Die Experten des Ministeriums empfehlen also dem Aufsichtsrat, Haftungsansprüche gegen die DB-Spitze zu prüfen.

 

Ein erstes Rechtsgutachten, das den Vorstand entlastet, zieht das Ministerium in Zweifel. Der DB-Vorstand habe dem Aufsichtsrat „über Monate keinen Hinweis auf die bekannte Dimension des Problems gegeben und in dieser Zeit weitere Vergaben getätigt“. Damit wurden, so der Vorwurf, „die potenziellen Kosten des Ausstiegs/Umstiegs auf eine andere Alternative in einer Phase der Unsicherheit über die Gesamtfinanzierung bewusst erhöht“.

Im Dossier macht das Ministerium der DB-Spitze schwere Vorwürfe. Der zuständige Konzernvorstand Volker Kefer habe bereits seit dem 2. Juli 2012 die drohende Kostensteigerung um bis zu 2,3 Milliarden Euro gekannt. Als Quelle nennt das Dossier einen vertraulichen Bericht der Wirtschaftsprüfer von Price Waterhouse Coopers. Dem Dossier zufolge wurden die Kostensteigerungen schon am 3. August 2012 auch bahnintern erörtert. Der Aufsichtsrat und die Öffentlichkeit wurden jedoch erst im Dezember darüber informiert.

Die Millionenverträge der Vorstände wurden verlängert

Besondere Brisanz bekommt das Dossier durch den Hinweis, dass seit Sommer 2012 zahlreiche millionenschwere Anstellungsverträge des DB-Vorstands verlängert wurden, darunter die Verträge von Bahnchef Rüdiger Grube und Kefer. „Bei rechtzeitiger Information durch den Vorstand“ hätte der Aufsichtsrat die Entwicklungen bei seiner Zustimmung zu den Vertragsverlängerungen berücksichtigen können, heißt es in dem Papier. Dieses wurde zum Treffen der DB-Aufsichtsräte am Dienstag von der Ministeriumsleitung erstellt und liegt der StZ vollständig vor.

Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) selbst bezeichnete das Papier als Einzelmeinung. Ein Abrücken von Stuttgart 21 gebe es nicht. „Das ist Quatsch“, sagte er. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) lehnt eine Diskussion über einen Baustopp ab. „Wir eröffnen keine Ausstiegsdebatte“, sagte er . In der Berliner Regierungskoalition wird das Projekt bisher nicht in Frage gestellt. „In unserer Fraktion herrscht weiterhin volle Unterstützung für Stuttgart 21“, sagt der baden-württembergische Abgeordnete Steffen Bilger, der für die Union im Verkehrsausschuss sitzt. Er fügt aber hinzu, der Bund werde sehr genau darauf achten, wofür er sein Geld investiere.