SPD und Grüne fallen in die alte Konfrontation zurück – und der Ministerpräsident Winfried Kretschmann dementiert sich in Sachen Mehrkosten selbst.
Stuttgart - Dass der neue Flughafenbahnhof stolze 224 Millionen Euro zusätzlich kosten soll, erschließt sich niemanden in der Stuttgarter Regierungskoalition. Der Bahntechnikvorstand Volker Kefer hatte diesen Betrag vor zwei Wochen bei der jüngsten Sitzung des Stuttgart-21-Lenkungskreises genannt. Bisher waren die Beteiligten – hinter vorgehaltener Hand – von 60 bis 70 Millionen Euro extra ausgegangen. Mit dem Unverständnis über Kefers Kostenvoranschlag erschöpfen sich allerdings die Gemeinsamkeiten von Grünen und SPD. Statt dessen fallen die Regierungspartner wieder in die alten Schützgräben zurück, in denen sie schon vor der Volksabstimmung über Stuttgart 21 verharrten. Aber der Reihe nach.
Beginnen wir mit dem Bahnvorstand Volker Kefer. Dieser ließ die Projektpartner Land, Region und Stadt dieser Tage schriftlich wissen, dass die nach dem Filderdialog verbesserte Bahnhofsvariante am Flughafen – was die Mehrkosten anlangt – außerhalb des auf 4,5 Milliarden Euro veranschlagten Gesamtbudgets für Stuttgart 21 finanziert werden müsse. Andernfalls werde „das Vorhaben auf Basis der bisherigen Vertragslage fortgesetzt“. Der OB Wolfgang Schuster kommentierte dies: „Wenn ich mir eine Mercedes-S-Klasse wünsche, habe aber nur Geld für einen VW Golf, wird der Daimler durch Warten und Diskutieren nicht billiger.“
Die zusätzliche Kosten erscheinen der SPD sehr hoch
Darauf folgte der Auftritt von Claus Schmiedel. Der SPD-Fraktionschef im Landtag plädierte am Dienstag dafür, die Extrakosten für den Flughafenbahnhof in einen Extratopf auszulagern. Der Nachrichtenagentur dpa sagte Schmiedel: „Die Mehrkosten eines neuen, besseren Flughafens, die kann ich natürlich nicht bei Stuttgart 21 abladen.“ Deshalb sei die Debatte darüber, dass mit den neuen Plänen nach dem Filderdialog der Kostendeckel gesprengt werde, nun wirklich „kropfunnötig“. Die Grünen müssten sich überlegen, ob sie die Ergebnisse des Filderdialogs „in den Mülleimer schmeißen“ wollten. Der SPD-Arbeitskreis Verkehr und Infrastruktur hatte sich schon in der vorvergangenen Woche mit dem Thema beschäftigt. Der Arbeitskreisvorsitzende Hans-Martin Haller sagte der StZ: „Wenn die Pläne für einen Hausbau fertig und durchkalkuliert sind, man aber plötzlich einen zusätzlichen Anbau haben will, dann werden die Kosten dafür auch nicht vom bisherigen Etat abgedeckt.“ Schließlich sei das Projekt Stuttgart 21 auf hundert plus x Jahre konzipiert. „Da macht es Sinn, rechtzeitig über Verbesserungen zu reden und nicht erst, wenn es zu spät ist.“ Jedoch müsse die Bahn darlegen, wie sie auf Mehrkosten in Höhe von mehr als 220 Millionen Euro komme. „Diese Summe erscheint mir sehr hoch.“
Für Kretschmann eine Frage der Größenordnung
Am Dienstag trat schließlich Ministerpräsident Winfried Kretschmann in den Ring. In der turnusmäßigen Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung ließen die Fragen nach Kefer, Schmiedel und den Mehrkosten nicht auf sich warten. „Erst mal gilt der Kostendeckel“, sagte der Regierungschef. Aber auch ihm war natürlich klar, dass es für die Grünen ein Zurück zur alten Planung kaum geben kann. Schließlich hatte Kretschmanns Staatsrätin für Bürgerbeteiligung, Gisela Erler, den Filderdialog initiiert. Also fügte Kretschmann hinzu: „Wir sind ja keine Fundis“ – und gab zu verstehen, dass sich das Land eventuell beweglich zeigen könnte, wenn die Mehrkosten nicht ins Kraut schießen. „Das ist eine Frage der Größenordnung“ , sagte er.
Prompt begrüßte die CDU das „Einknicken des Ministerpräsidenten beim Filderbahnhof“. Das Plädoyer des SPD-Manns Schmiedel für einen Extratopf wurde von der Opposition freudig gelobt, sahen CDU und FDP doch die Gelegenheit, einen Keil ins Regierungslager zu treiben. „Schmiedel hat recht, und die Uneinigkeit zwischen Grün-Rot ist mal wieder bezeichnend“, kommentierte die CDU-Abgeordnete Nicole Razavi. Der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sekundierte: „Hier hat Schmiedel völlig recht, hier muss sich Schmiedel durchsetzen.“
Sitzmann hält Vorgehen der Bahn für „atemberaubend“
Dies alles alarmierte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Edith Sitzmann. „Der Kostendeckel gilt“, betitelte sie ihre Pressemitteilung, in der sie den Bahnvorstand Kefer beschuldigte, planmäßig den Kostendeckel für Stuttgart 21 sprengen zu wollen. Die Bahn habe zu erfüllen, was sie – nicht nur während der Volksabstimmung – zugesagt habe. „In einer solchen Situation, ohne aussagekräftige Unterlagen, dreistellige Millionenbeträge zu fordern und dabei die Vertragspartner mit Ultimaten unter Druck zu setzen, ist atemberaubend“, schimpfte Sitzmann.
Daraufhin meldete sich Ministerpräsident erneut, diesmal ebenfalls per Pressemitteilung, zu Wort – in der Überschrift gleichlautend zur Verlautbarung Sitzmanns: „Der Kostendeckel gilt.“ Es sei gar nicht daran zu denken, „dass wir uns an den von der Bahn prognostizierten Mehrkosten für den Filderbahnhof beteiligen“. Nichts anderes, so Kretschmann, hätten auch die Stadt, die Region und der Flughafen erklärt. Mit den Projektpartnern ist er sich also einig. Mit der SPD eher nicht.