Aktivisten der Initiative barrierefrei haben vor dem Bahnhof gegen die Verlegung des Zugangs protestiert. Sie stören sich an den neuen Umwegen.
Stuttgart - Am Morgen haben die Berufspendler und Zugreisenden noch einmal auf gewohntem Weg in den Stuttgarter Hauptbahnhof laufen können, am späten Mittwochnachmittag hat die Bahn den Nordeingang dann wie angekündigt gesperrt. Der neue Zugang führt nun weiter hinten am Gebäude der LBBW-Bank vorbei zu den Gleisen. Bahnreisende, die auf einen barrierefreien Eingang angewiesen sind und über die Rampe aus der Klettpassage kommen, müssen künftig etwa 350 Meter Umweg in Kauf nehmen.
Gegen diesen „Zustand“ haben am Mittwoch etwa 40 Bürger von der Initiative barrierefrei demonstriert, darunter auch einige Rollstuhlfahrer. Behinderte, Senioren und andere Mobilitätseingeschränkte seien die Leidtragendem des neuen Parcours, der noch dazu größtenteils ungeschützt im Freien und direkt neben einer lauten Baustelle liege, so ein Sprecher der Aktivisten.
Anderthalb Jahre Interimseingang
Der Grund für die Verlegung des einzigen barrierefreien Zugangs in den Bahnhof sind die Arbeiten am unterirdischen Technikgebäude des neuen Tiefbahnhofs, mit denen die beauftragten Firmen nun begonnen haben. Um die Baustelle einzurichten, musste der Bahnhofsvorplatz und damit auch der Nordeingang gesperrt werden. Während der Arbeiten an dem unterirdischen Gebäude, die laut Stuttgart-21-Sprecher etwa anderthalb Jahre andauern, muss nun der Interimseingang genutzt werden.
Gleichzeitig hat die Bahn am Mittwoch auch damit begonnen, Eigentümer wegen notwendiger Grundstücksnutzungen beim Bau von Stuttgart 21 zu kontaktieren. Der Versand der Einverständniserklärungen habe begonnen, so ein Sprecher. Konkret geht es dabei zunächst um den Bau des Fildertunnels (Planfeststellungsabschnitt 1.2), also der Anbindung zwischen Tiefbahnhof und Flughafen, der Tunnelröhren nach Feuerbach und Bad Cannstatt (1.5) sowie der Zuführung nach Ober-/Untertürkheim (1.6). Von diesen Baumaßnahmen betroffen sind etwa 500 Eigentümer. Sie sollen sich nun bereit erklären, dass die Bahn ihr Grundstück in Anspruch nehmen kann, um etwa darunter einen Tunnel zu bohren oder darauf Baustellenflächen einrichtet.
Haus & Grund warnt vor Einverständniserklärung
Über die Entschädigungssumme soll laut Bahn AG erst später verhandelt werden – was beim Stuttgarter Haus- und Grundbesitzerverein allerdings auf Kritik und Unverständnis stößt. Man habe die Bahn mehrfach gebeten, die betroffenen Eigentümer rechtzeitig zu unterrichten, so der Geschäftsführer Ulrich Wecker. Das sei auch ausdrücklich zugesagt worden – bisher aber nicht geschehen. Die Eigentümervertretung hat ihre 19 000 Mitglieder daher davor gewarnt, „leichtfertig etwas zu unterschreiben“.
Er rate dazu, so Wecker, zuvor den Beratungsdienst zu kontaktieren, um Fragen zum Thema Beweissicherung oder Werteinschätzung von Ingenieuren und Fachanwälten klären zu lassen. Die Bahn wolle offenkundig die Frage der Einverständniserklärung von der Entschädigungshöhe abkoppeln. Wenn man aber schon in die Eigentumsrechte der Bürger eingreife, sei es aber das mindeste, „gleich zu Beginn des Verfahrens zu sagen, was an Kompensation dafür gezahlt wird“.
Die Bahn betont hingegen, dass die Entschädigungsansprüche auch nach der Einverständniserklärung unverändert weiter bestehen würden. Die Erklärung sei unabhängig von der noch ausstehenden Entschädigungsumme. Die Verhandlungen sollten lediglich ohne zeitlichen Druck geführt werden können, während die Bahn gleichzeitig mit dem Bau beginnen kann.