Georg Brunnhuber, oberster Werber für das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm, ist verärgert über die Diskussion am Flughafen, wo die Bahn nur wenige Fernzüge halten lassen möchte. Er baut darauf, dass dort noch nicht das letzte Wort gesprochen ist – und wählt deutliche Formulierungen.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Das ausgesprochen dünne Fernverkehrsangebot, dass die Bahn für den Flughafenbahnhof bei Stuttgart  vorsieht, explodierende Kosten und ein aus dem Ruder laufender Terminplan: Georg Brunnhuber, als Vorsitzendes Bahnprojektvereins Stuttgart-Ulm, so etwas wie der oberste Werber für das Milliardenvorhaben, hat schon entspanntere Wochen in seinem Vorstandsamt erlebt. Im Interview findet er deutliche Worte.

 
Herr Brunnhuber, die Bahn hat nun eingeräumt deutlich weniger Züge des Fernverkehrs am Filderbahnhof halten zu lassen als geplant. Wie überrascht sind Sie von dieser Entwicklung?
Wir als Verein sind völlig überrascht – auch darüber, dass diese Diskussion nun zur Unzeit losgetreten worden ist. Alle Informationen über die Jahre hinweg haben immer darauf hingedeutet, dass der Bahnhof am Flughafen eben auch ein Fernbahnhof ist, der einen regelmäßigen Anschluss an die nationalen Fernbahnstrecken der Deutschen Bahn sicherstellt. Von daher gesehen kann ich die jetzt publik gewordenen Informationen nicht nachvollziehen.
Haben Sie als Vorsitzender des Bahnprojektvereins Stuttgart-Ulm schon Reaktionen von den Projektpartnern bekommen, die Mitglied im Verein sind?
Ich weiß von Projektpartnern, dass sie genauso denken wie wir. Drei Intercitys je Richtung, die verteilt über den ganzen Tag am Flughafen halten sollen, sind zu wenig. Das wird vom gesamten Verein so nicht mitgetragen.

Sehen Sie in unserer Video-Umfrage: Was sagen Menschen in Stuttgart zu den Plänen der Bahn, am Flughafen deutlich weniger Fernverkehrszüge halten zu lassen?

Die in der Diskussion stehenden 100 Fernzüge, die am Flughafen halten sollten, erscheinen üppig, wenn man bedenkt, dass am Dienstag vom Hauptbahnhof insgesamt nur 138 Züge des Fernverkehrs in alle Himmelsrichtungen gestartet sind. Hat man da von Anfang an mit falschen Zahlen operiert?
Das war die damalige Planung. In den unterstellten Betriebsstunden des Bahnhofs am Flughafen sollten pro Stunde drei bis vier Züge halten. Die 100 sind wahrscheinlich eine Zahl, die so gar nicht benötigt würde. Aber sie wurde damals als Vertragsgrundlage genommen. Das war eine klare Orientierung. Nämlich, dass ICEs und IC, die Premiumprodukte der Deutschen Bahn, über den Flughafen geführt werden und dort auch halten.
Sehen Sie noch Möglichkeiten, das nun bekannt gewordene Konzept nochmals im Sinne der Projektpartner zu verändern?
Daran arbeiten wir. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Vorstand der DB AG Kenntnis von diesen Aussagen des Geschäftsbereichs Fernverkehr hat. Wir setzen uns dafür ein, dass die Überlegungen gestoppt werden. Im Übrigen ist das eine ausgesprochen frühzeitige Diskussion. In der Regel wird zwei Jahre vor Inbetriebnahme einer neuer Infrastruktur der Fahrplan festgelegt – in Abstimmung mit allen Projektpartnern und vor allem mit der jeweiligen Landesregierung. Denn zunächst muss klar sein, was das Land als Nahverkehr bestellt, um dann den Fernverkehr daran auszurichten. Die Aufregung zum jetzigen Zeitpunkt ist verdammt ärgerlich. Wenn man für 800 Millionen Euro einen Fernbahnhof am Flughafen baut, dann ist es relativ unlogisch, dort so gut wie keine Fernzüge halten zu lassen.
Stuttgart 21 ist zuletzt wieder wegen der explodierenden Kosten und dem aus dem Ruder laufenden Zeitplan in die Negativschlagzeilen geraten. Andererseits haben Sie bei den Tagen der offenen Baustelle 40.000 Besucher gezählt. Wie passt das für Sie zueinander?
Man sieht, dass die Leute das Projekt so hochwertig einschätzen, dass Mehrkosten und längere Bauzeit nicht dazu führen, dass die Zustimmung und die Faszination nachlassen würden. Wer das komplexe Vorhaben aus der Nähe betrachtet, wie es unsere Besucher gemacht haben, erkennt, was da Hochwertiges entsteht. Diese Zustimmung hängt aber auch davon ab, dass jetzt nicht ständig neue Negativmeldungen produziert werden. Das heißt auch, dass das Konzept am Flughafen korrigiert werden muss.
Wie kann der Verein, der über das Projekt informieren soll, auf die neuerliche Krise von Stuttgart 21 reagieren?
Wir werden mit unseren motivierten Mitarbeitern alles dazu beitragen, dass nicht noch weitere Steine uns hier in den Weg gelegt werden. In den zurückliegenden Jahren haben wir erreicht, dass das Projekt in weiten Teilen der Bevölkerung positiv gesehen wird. Deswegen kämpfen wir nun um eine vernünftige Anbindung mit Fernverkehrszügen am Flughafen.