Interne Papiere der Deutschen Bahn zeigen, dass der Konzern seit 2002 von den Mehrkosten für Stuttgart 21 wusste. Die Bahn dementiert.

Stuttgart - Die Deutsche Bahn (DB) soll über Jahre hinweg die Kosten für das milliardenschwere Bahnprojekt Stuttgart 21 frisiert haben. Das berichtet das Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in seiner am Montag erscheinenden Ausgabe. Dem Blatt liegen bahninterne Vermerke, Protokolle und Berechnungen aus den Jahren 2002 bis 2010 vor, die den Schluss zulassen, dass die Bahn bereits vor zwei Jahren die Kosten für den Umbau des Stuttgarter Bahnknotens in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof mit weit über 4,5 Milliarden Euro berechnet hat. Demnach hätte Stuttgart 21 bereits vor zwei Jahren gestoppt werden müssen.

 

Exakt jene 4,5 Milliarden Euro hatte Bahnchef Rüdiger Grube Ende 2009 in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung als "Sollbruchstelle" für das Projekt bezeichnet und zugleich erstmals eingeräumt, dass das Großprojekt deutlich teurer werde als die bis dato veranschlagten 3,1 Milliarden Euro. "Eine andere Zahl als die 4,5 Milliarden würde ich nie akzeptieren", so der Vorstandsvorsitzende damals.

Dem Spiegelbericht zufolge hat die Bahn auch in den Jahren vor 2009 unter Grubes Vorgänger Hartmut Mehdorn die Kosten für das umstrittene Bahnprojekt gegenüber der Öffentlichkeit deutlich niedriger angegeben als intern berechnet. Bereits Ende 2002, zu einem Zeitpunkt also, als der Schienenkonzern die Planungs- und Baukosten offiziell noch auf 2,5 Milliarden Euro bezifferte, seien Kostensteigerungen von 700 Millionen Euro absehbar gewesen. Im März 2005 hätten die Mehrkosten dann bereits bei 1,3 Milliarden Euro gelegen, schreibt das Nachrichtenmagazin unter Berufung auf die DB-internen Papiere. Noch 2007 hatte die Bahn die Gesamtkosten mit 2,8 Milliarden Euro angegeben, obwohl die eigenen Projektplaner bereits damals von 4,1 Milliarden Euro ausgegangen seien. Erst im vergangenen Jahr hatte Bahnchef Grube erstmals diese Zahl als die voraussichtlichen Projektkosten genannt. Zu diesem Zeitpunkt lagen die konzerninternen Berechnungen schon bei mehr als fünf Milliarden.

Die Projektplaner haben kaum Sparpotenzial gesehen

Um die selbst gesteckte Kostengrenze von maximal 4,5 Milliarden Euro für einen Ausstieg aus dem Großprojekt nicht zu überschreiten, hatte Rüdiger Grube 2009 Einsparpotenziale von rund 900 Millionen Euro abschätzen lassen, die allerdings bis heute zumindest nicht in vollem Umfang realisiert werden konnten. Nach StZ-Informationen hatte die Bahn bereits 2003 angesichts drohender Mehrkosten ihr Projekt nach Kosteneinsparmöglichkeiten durchforsten lassen. Damals konnten die Planer lediglich ein Sparpotenzial von 26 Millionen Euro errechnen.

Ein Bahnsprecher hat die Vorwürfe als "haltlos" zurückgewiesen, der Konzern habe die Öffentlichkeit über die Kostenentwicklung bei dem umstrittenen Vorhaben getäuscht. Die Bahn werte den Bericht als Versuch, mit "altbekannten und seit langem überholten Zahlen die Öffentlichkeit kurz vor der Vorstellung der Ergebnisse des Stresstests zu verunsichern".

Das baden-württembergische Verkehrsministerium reagierte zurückhaltend. Ein Sprecher von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) erklärte: "Wenn das stimmt, entspricht es dem, was wir immer befürchtet haben." Man werde den Bericht gründlich prüfen. Die Landtagsgrünen forderten, dass bei der geplanten Präsentation des Stresstests am 14. Juli alle Dokumente und auch die aktuellen Kostenberechnungen für Stuttgart 21 offen gelegt werden müssten.