Linda Werab war die erste Masterabsolventin der Architektur an der Uni Stuttgart. Nun baut die 28-Jährige an Stuttgart 21 mit – und wünscht sich noch viel mehr Kolleginnen auf der Baustelle.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart -

 

Linda Werab ist gerade einmal sechs Jahre alt gewesen, als 1994 eine Herrenrunde aus Ministerpräsident, Oberbürgermeister und Bahnchef in Stuttgart mit dem Vorschlag an die Öffentlichkeit ging, den Hauptbahnhof unter die Erde zu legen, um Platz für städtebauliche Entwicklung zu schaffen. Aus der Idee wird nun langsam Realität – und Linda Werab steht mittendrin. Die heute 28-Jährige arbeitet als Architektin für die Bahn-Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm (PSU).

Lieber in der Baugrube als am Schreibtisch

Dass sie sich dabei in der vermeintlichen Männerwelt Baustelle tummelt ist für die gebürtige Berlinerin keine große Sache. „Es spielt bei der Arbeit überhaupt keine Rolle, dass ich eine Frau bin“, sagt die Bauexpertin, die in Herrenberg aufgewachsen und in Sindelfingen zur Schule gegangen ist. Immerhin ist sie überzeugt, dass sich mit höher werdendem Frauenanteil der Ton auf der Baustelle ändert. „Der war früher sicherlich ein bisschen rauer“, sagt Werab. Ein bis zweimal die Woche schaut sie sich in den Baugruben des künftigen Tiefbahnhofs um. Nach ihren Geschmack dürfte das noch häufiger der Fall sein, aber ein Gutteil ihres Berufsalltags findet eben doch am Schreibtisch vor dem Computer statt. Sie arbeitet im sogenannten Planlaufmanagement, vereinfacht gesagt ist sie für die Koordination der Rohbauarbeiten zuständig und prüft, ob das was in den Plänen steht auch tatsächlich in Beton gegossene Realität wird. Dass sich weiterhin viele mit dieser Realität schwer tun und ihren Unmut ausdrücken, bleibt natürlich auch auf der Baustelle nicht verborgen. Linda Werab hat sich zwar noch nie für ihren Arbeitsplatz rechtfertigen müssen – aber in ihrer WG einen überzeugten Projektgegner als Mitbewohner gehabt. Ansonsten berichtet sie eher von Neugier als von Ablehnung, wenn sie erzählt, wo sie arbeitet. Vor allem die Verwandtschaft aus Berlin möchte aus erster Hand erfahren, was sich auf der Baustelle tut. Die Hauptstädter haben schließlich ihre ganz eigenen Erfahrungen mit Bauvorhaben, die Schwierigkeiten mit Kosten- und Zeitplänen haben.

Von der Gleichstellungsbeauftragten der Uni Stuttgart ausgezeichnet

Dass sie bei der Bahn gelandet ist, nennt Werab einen Zufall. „Zumindest habe ich das so nicht auf dem Schirm gehabt als Arbeitgeber.“ Ihr sei nur schon im Studium klar gewesen, dass reine Büroarbeit für sie nicht in Frage kommt. Im Oktober 2014 hielt sie ihren Abschluss in der Hand – als erste in Stuttgart hatte sie das Studium der Architektur und der Stadtplanung als Master abgeschlossen – zuvor wurden in dieser Fachrichtung noch Diplomabschlüsse verteilt. Diese Vorreiterrolle wurde zusätzlich belohnt. Die junge Architektin bekam den Preis der Gleichstellungsbeauftragten der Uni Stuttgart. Durch die Auszeichnung sollten „vor allem jüngere Wissenschaftlerinnen sichtbar gemacht werden“, verkündete die Uni Stuttgart. Bei der Verleihung wurde an Lilli Foerster erinnert, die 1924 als erste Diplomabsolventin im Fach Architektur die damalige Technische Hochschule verließ. Zwei Jahre zuvor war der neue, von Paul Bonatz entworfene, Hauptbahnhof in Stuttgart in Betrieb genommen worden. Jene Station, an deren grundlegender Umgestaltung Linda Werab nun mitarbeitet. Lilli Foerster hingegen beendete ihre Karriere schon kurz nach dem Studienabschluss, heiratete und wurde Mutter dreier Kinder.

Linda Werab, die als Abschlussarbeit einen Betriebshof für die väterliche Spedition entworfen hat und „hobbymäßig Lkw fährt“, wie sie erzählt, wünscht sich noch viel mehr Frauen auf Baustellen. „Ich kann nur empfehlen, einen technischen Beruf zu erlernen.“ Und gegebenenfalls darauf zu achten, welche Neigungen sich schon früh zeigen. „Ich habe schon im Kindergarten das Gebäude gezeichnet.“