Doch er predigt nicht die Versöhnung, er sät den entschlossenen Protest. Als der Widerstand gegen das Milliardenprojekt am Abend des 20.Juni eine aggressive Seite zeigte, schrieb Matthias von Herrmann noch während der Randale einiger Demonstranten eine Pressemitteilung. Tenor dabei: Es herrsche auf dem Baugelände eine "gelöste Feierabendstimmung".

 

Anderntags fiel die Bilanz so aus: ein Polizist wurde schwer verletzt, er ist bis heute dienstunfähig. Der Sachschaden beläuft sich auf 1,5 Millionen Euro. Rund drei Wochen später sitzt von Herrmann an einem Besprechungstisch des Parkschützerbüros und denkt über die Frage nach, ob er etwas falsch gemacht hat an diesem Tag. An der Wand hängt ein Banner: "Widerstand gegen Größenwahn." In Regalen stapeln sich Protest-T-Shirts, Protest-Buttons, Protest-Rotwein - ein Merlot.

Ist der Widerstand am 20.Juni nicht deutlich übers Ziel hinausgeschossen? "Eigentlich nicht", sagt von Herrmann, der die Randalierer einer Gruppe zuordnet, die mit den Parkschützern nichts zu tun habe. Er selbst wirft sich nur vor, an jenem Tag nicht noch aktiver auf die Journalisten zugegangen zu sein, um seine Wahrheit zu vermitteln. Und überhaupt: "Inzwischen haben wir ganz deutliche Hinweise darauf, dass das an diesem Tag eine Falle war, die von der Polizei so gelegt wurde." Ob er dies belegen könne? "Es gibt diese Hinweise."

Dietrich trägt sein "Herz auf der Zunge"

Von Herrmann, sagen gemäßigte Stimmen im Aktionsbündnis, sei manchmal kaum einzufangen. Die Parkschützer seien für den Widerstand ein Gewinn, aber auch eine Belastung. Von Herrmann, entscheide oft im Alleingang, das tue ihm nicht gut.

Matthias von Herrmann ist der Unruheherd im Widerstand gegen Stuttgart 21 - höchst umstritten. Ein Rattenfänger, tuscheln seine Gegner. Seine Parkschützer bilden nicht den Kern des Widerstands. Sie sind dessen heißer Rand. Auf den ersten Blick taugt er nicht zum Bürgerschreck. An diesem Tag trägt er zur Leinenhose ein Hemd, randlose Brille, aufgeräumten Kurzhaarschnitt. Wer ihn nicht kennt, würde sich nicht wundern, wenn von Herrmann sonntags von der Kanzel herab erbauliche Worte an die Gemeinde richten würde.

"Gelöste Feierabendstimmung"

Doch er predigt nicht die Versöhnung, er sät den entschlossenen Protest. Als der Widerstand gegen das Milliardenprojekt am Abend des 20.Juni eine aggressive Seite zeigte, schrieb Matthias von Herrmann noch während der Randale einiger Demonstranten eine Pressemitteilung. Tenor dabei: Es herrsche auf dem Baugelände eine "gelöste Feierabendstimmung".

Anderntags fiel die Bilanz so aus: ein Polizist wurde schwer verletzt, er ist bis heute dienstunfähig. Der Sachschaden beläuft sich auf 1,5 Millionen Euro. Rund drei Wochen später sitzt von Herrmann an einem Besprechungstisch des Parkschützerbüros und denkt über die Frage nach, ob er etwas falsch gemacht hat an diesem Tag. An der Wand hängt ein Banner: "Widerstand gegen Größenwahn." In Regalen stapeln sich Protest-T-Shirts, Protest-Buttons, Protest-Rotwein - ein Merlot.

Ist der Widerstand am 20.Juni nicht deutlich übers Ziel hinausgeschossen? "Eigentlich nicht", sagt von Herrmann, der die Randalierer einer Gruppe zuordnet, die mit den Parkschützern nichts zu tun habe. Er selbst wirft sich nur vor, an jenem Tag nicht noch aktiver auf die Journalisten zugegangen zu sein, um seine Wahrheit zu vermitteln. Und überhaupt: "Inzwischen haben wir ganz deutliche Hinweise darauf, dass das an diesem Tag eine Falle war, die von der Polizei so gelegt wurde." Ob er dies belegen könne? "Es gibt diese Hinweise."

Dietrich trägt sein "Herz auf der Zunge"

Von Herrmann, sagen gemäßigte Stimmen im Aktionsbündnis, sei manchmal kaum einzufangen. Die Parkschützer seien für den Widerstand ein Gewinn, aber auch eine Belastung. Von Herrmann, entscheide oft im Alleingang, das tue ihm nicht gut.

Rund 16 Kilometer trennen das Haus Wolfgang Dietrichs vom Hinterhofidyll der Parkschützer in der Nähe der Staatsgalerie. Dietrich, dessen ältester Sohn kaum jünger ist, als Matthias von Herrmann, grübelt über seine Fehler nach. "Ich trage mein Herz auf der Zunge", sagt der Unternehmer, "aber ich musste feststellen, dass der Streit über das Projekt ein zähes Ringen mit Worten ist und dass meine Aussagen in meiner neuen Funktion natürlich ein anderes Gewicht haben."

Dietrich, in Backnang in "sehr einfachen Verhältnissen" aufgewachsen, hat die Dinge oft angepackt, wenn sich ihm Gelegenheiten geboten haben. Oder das Schicksal es erfordert hat. Als 19-Jähriger wurde er vorzeitig aus der Bundeswehr entlassen, nachdem seine Eltern früh verstorben waren. Dietrich zog nach Stuttgart, nahm ein Studium auf. Es waren bewegte Zeiten: Die Studenten gingen auf die Barrikaden - gegen den Schahbesuch 1967 und gegen den Vietnamkrieg. "Ich war schon damals politisch hochinteressiert", erzählt Dietrich.

Die Freundschaft mit Grube brachte den Aufstieg

Die Studentenbewegung war nicht seine Sache. "Viele, die damals auf die Straße gegangen sind, waren Wohlstandsjünglinge. Ich kam von ganz unten, ich konnte mir nicht den Luxus leisten zu demonstrieren." Stattdessen startete er beruflich durch. Mit 22 Jahren betrieb er schon ein Programmierbüro, bald stieg er beim Stuttgarter Software- und Systemhaus Strässle ein. Als Manager in der Softwarebranche arbeitete sich der junge Mann empor.

Irgendwann kreuzten sich die Wege des Software-Experten Wolfgang Dietrich und des Managers Rüdiger Grube. Der heutige Bahn-Chef lernte ihn dem Vernehmen nach als Präsident eines Golfclubs im Schwarzwald kennen. Dietrich hätte sich nicht träumen lassen, dass ihn diese Männerfreundschaft eines Tages ins Rampenlicht katapultieren sollte.

"Unsere Gegner heißen Merkel und Grube"

Nur morgens taucht Wolfgang Dietrich ab. Er schwimmt seine Bahnen im Pool, fast jeden Tag. Das sieht man ihm an. Dietrich ist nicht nur ein Schnellredner, er kann auch das Kreuz durchdrücken, wenn ihm der Wind ins Gesicht bläst. Es stimme, "dass er sich in seine Aufgabe als Projektsprecher hineingekniet hat", sagt selbst einer seiner Gegner. Es stimme aber auch, dass er manchmal von der Bahn nicht mit allen Fakten versorgt würde. Wolfgang Dietrich schüttelt den Kopf. "Ich bin bei Stuttgart 21 ein Überzeugungstäter. Für mich ist das ein Ehrenamt, das ich mit heißem Herzen ausfülle."

Das nimmt ihm Matthias von Herrmann einfach nicht ab. Der Sprecher der Parkschützer will nicht lange über Wolfgang Dietrich reden. "Unsere Gegner heißen Merkel, Ramsauer und Grube." Der Sprecher von Stuttgart 21, "das ist ein Golfkumpel vom Grube".

Ein weltoffener Konservativer

An diesem Julitag herrscht mal wieder eine Menge Betrieb in den Parkschützerräumen. Hinter einer Tür mit der Aufschrift "Info-Offensive" besprechen sich die Senioren gegen Stuttgart 21. Eine Frau verteilt selbst gepflückte Mirabellen. Die Seniorentruppe ist um sechs Uhr am Baugelände gewesen, doch diesmal sind die Baufahrzeuge eine Viertelstunde vor den Demonstranten gekommen. "Wir können nicht immer gewinnen", sagt eine Frau. Diesmal war der Hase schneller.

Matthias von Herrmann, Sohn einer Gymnasiallehrerin und eines Philosophieprofessors, sagt von sich selbst, dass er Politikjunkie sei. Zu Hause sei ihm Weltoffenheit vermittelt worden und eine durchaus konservative Sichtweise. Etwas Bewährtes zu bewahren, sieht er als Wert.

Von Greenpeace in die Industrie

An der Uni wurde aus dem Politjunkie ein Politikaktivist. Im zweiten Semester stieg er bei der Stuttgarter Greenpeace-Gruppe ein, wo er das Geschäft des Protests und dessen Marketing lernte: "Ich habe in Trainings erfahren, wie die Presse funktioniert. Wie ich vor der Kamera stehen muss. Und wie ich ein Thema in 20 Sekunden auf den Punkt bringe." In Zeitungsarchiven finden sich Fotos aus den späten 90er Jahren, auf denen Matthias von Herrmann in einer Baugrube des Boschareals steht und ein Banner in Richtung Kamera hebt. Es ging um umweltschädliche Dämmplatten. Das Spiel mit den Medien funktionierte. Es war wie ein Testlauf.

Seine zupackende Art fiel 2003 einem Schorndorfer Automobilzulieferer auf. Die Firma wollte eine neue Produktionshalle bauen, "die möglichst hohen ökologischen Anforderungen genügen sollte". Von Herrmann wechselte die Seiten: Er ging von Greenpeace in die Industrie. "Natürlich habe ich immer damit gehadert, dass die Kunden des Unternehmens in der Automobilindustrie waren."

"Ein schwachsinniges Projekt für irrsinnig viel Geld"

Hätte ihn die Firma sieben Jahre später nicht aus betrieblichen Gründen entlassen, wäre Matthias von Herrmann vielleicht nie zu dem geworden, der er heute ist. Damals suchte er "nach einer Gruppe, bei der ich wieder mitmachen kann". Er fand Stuttgart 21. Im Februar 2010 traf er auf die noch junge Protestgruppe der Parkschützer. Seine Meinung zu Stuttgart 21 war bereits zementiert: "Ein schwachsinniges Projekt, das irrsinnig viel Geld kostet."

Und Nerven. Am Haupteingang zum Parkschützerbüro hat ein Nachbar Pro-Stuttgart-21-Aufkleber angebracht, nicht zwei oder drei, sondern 81 Stück. Im ersten Stock ist der Humor zu Hause: Wenn die Karnevalsgesellschaft Möbelwagen probt, sind die Parkschützer unten erschüttert.

Zwei Männer, zwei Wahrheiten

In Leonberg blickt Wolfgang Dietrich auf das Asphaltband der Autobahn hinab. Der Engelbergtunnel, auf dessen Buckel sein Haus steht, sollte ursprünglich 300 Millionen Euro kosten. Schließlich wurden es 100 Millionen mehr. Der Anhydrit war schuld - ein beinahe magisches Mineral im Streit über Stuttgart 21. Den Projektsprecher quält das nicht: "Was wäre denn die Alternative zu diesem Tunnel gewesen?"

Wolfgang Dietrich verabschiedet sich an der gepflasterten Hofeinfahrt. Am nächsten Morgen wird die Schlacht der Argumente weitergehen, natürlich auch wieder mit Wolfgang Dietrich und Matthias von Herrmann - zwei Männer, mit ihren eigenen Wahrheiten. Miteinander gesprochen haben sie noch kein einziges Wort.