Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat erstmals seine Bereitschaft zu Verhandlungen mit der Bahn über einen Aus- oder Umstieg bei dem umstrittenen Milliardenprojekt Stuttgart 21 angedeutet.
Stuttgart - Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat erstmals seine Bereitschaft zu Verhandlungen mit der Bahn über einen Aus- oder Umstieg bei dem umstrittenen Milliardenprojekt Stuttgart 21 angedeutet. In einem Antwortbrief an den Vize-Aufsichtsratsvorsitzenden der Bahn, Alexander Kirchner, schrieb der Regierungschef, Bedingung sei, dass die Bahn oder der Bund als Eigentümer die Initiative für solche Gespräche ergreife.
Wörtlich heißt es in Kretschmanns Schreiben, das der Stuttgarter Zeitung vorliegt: „Was sich in dem von Ihnen angesprochenen Szenario eines Aus- oder Umstieges im Einzelnen ergeben würde, kann ich Ihnen nicht beantworten. Diese Frage müsste erst Gegenstand von zu führenden Verhandlungen aller Projektpartner sein, die von der Bahn zu veranlassen wären. Auf die Tagesordnung kann dieses Thema derzeit nur durch die Bahn oder den Bund gesetzt werden. Selbstverständlich würden wir uns an den dann notwendigen Gesprächen über diese komplexe Problematik konstruktiv beteiligen.“
Von Projektpartnern Signale gefordert
Kretschmann reagierte damit auf die wiederholt öffentlich und schriftlich vorgetragene Forderung des Chefs der Eisenbahnergewerkschaft EVG nach einem Entgegenkommen seitens der Projektpartner Stadt und Land gegenüber der Bahn. Kirchner hatte gesagt, um Alternativen überhaupt möglich zu machen, müssten zuerst die Projektpartner Signale setzen, dass man über den Verzicht auf Regressforderungen sowie die Durchführungspflicht der Bahn verhandeln könnte.
Der Ministerpräsident bekräftigte zugleich die Haltung der grün-roten Koalition, wonach sich das Land über seinen Anteil von 930 Millionen Euro hinaus nicht an weiteren Kosten und Risiken des Projekts beteiligen werde. Vielmehr müsse die Bahn „alle über 4,526 Milliarden Euro hinausgehenden Kosten selbst übernehmen“.
BUND kritisiert Planung und Finanzierung
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat unterdessen den Aufsichtsrat der Bahn davor gewarnt, auf der Sitzung an diesem Dienstag die Kostensteigerungen für Stuttgart 21 auf bis zu 6,5 Milliarden Euro abzusegnen. Das Projekt sei weder ausreichend durchgeplant noch finanziert, außerdem fehle eine ganze Reihe von Genehmigungen zum Bau des unterirdischen Bahnhofs, kritisierten die BUND-Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender und der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. „Schon vor Beginn der eigentlichen Bauarbeiten ist das angeblich bestgeplante Verkehrsprojekt Deutschlands zum unkalkulierbaren Kostenrisiko geworden“, so Weiger. Ein Weiterbau würde in „die Kostenfalle für alle“ führen. Dahlbender erinnerte daran, dass Vertreter der Bahn vor der in Baden-Württemberg durchgeführten Volksabstimmung über das Projekt immer wieder beteuert hätten, Stuttgart 21 werde nicht teurer als die damals vorgesehenen 4,5 Milliarden Euro. „Heute sind wir bei 6,5 Milliarden Euro und hören wieder die gleichen Beteuerungen. Der Planungsstand ist aber nach wie vor genau der gleiche“, erklärte Dahlbender. Auf dieser Basis sei es grob fahrlässig, wenn der Aufsichtsrat das Projekt durchwinke.
Union fordert grünes Licht für Weiterbau
Die CDU-Fraktion im Stuttgarter Gemeinderat hat ihrerseits in einem Brief an die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat des Staatskonzerns appelliert, grünes Licht für einen Weiterbau des Tiefbahnhofs zu geben. Die Mehrheit im Rat wolle weiterhin, „auch im Lichte der aktuellen Informationen“, dass Stuttgart 21 fortgeführt werde, heißt es in dem von Fraktionschef Alexander Kotz unterzeichneten Schreiben: „Von daher würden wir eine Kostenbeteiligung an etwaigen Ausstiegskosten ebenso ablehnen wie eine Entlassung der Bahn aus ihrer Durchführungsverpflichtung.“ Die CDU kenne keine Alternativlösung zu Stuttgart 21, die eine vergleichbare städtebauliche Chance für Stuttgart ermögliche: „Daher sehen wir bei einer solchen vermeintlichen Alternativlösung auch keinen Grund für eine städtische Kostenbeteiligung.“ Kotz hofft, den Aufsichtsräten „mit unseren Ausführungen bei Ihrer Entscheidungsfindung helfen zu können“.