Beschlossen wurde, einen Risikotopf mit 1,45 Milliarden Euro für Mehrkosten zu füllen - jedoch für solche, die sich aus Preissteigerungen oder technischen Risiken ergeben könnten. Eine Erhöhung um mehr als eine Milliarde Euro wurde zudem für "unwahrscheinlich" erklärt. Dass diese Vorsorge tatsächlich nicht nur für Unvorhersehbares erforderlich würde, sondern vor allem, um die Erhöhung zu finanzieren, die sich bereits aus der Aktualisierung längst überholter Pläne bereits ergeben hatte, blieb im Parlament unerwähnt.

 

Nach Ansicht des Arbeitskreises hätten aber alle Entscheidungsträger sofort über die Kostenschätzung der Fachplaner informiert werden müssen. Schließlich war damit die vereinbarte Schmerzgrenze von 4,526 Milliarden Euro überschritten. Dass man seinen Partner solche Infos nicht vorenthalten darf, ergibt sich für die Experten aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch.

Die Bahn dementiert gar nicht, Anhaltspunkte für höhere Kosten gehabt zu haben. Ihr Schweigen begründet sie damit, es habe sich um einen "Zwischenstand vor Abschluss der Nachkalkulation" gehandelt; die auf Basis der Entwurfsplanung ermittelten Kosten habe sie erst bis zum Ende der Ausstiegsfrist Ende 2009 vorlegen müssen. Außer Acht wird gelassen, dass die Schätzung von 3,9 Milliarden Euro Kosten die bis dahin aktuellste und verlässlichste war.

Noch immer drohen unvorhersehbare Nachbesserungen

Warum hat die Landesregierung nicht vorsorglich nachgefragt, da ihr doch die Haushaltsordnung auferlegt, Baukosten auf Grundlage aktueller Pläne zu ermitteln? Auf eine Grünen-Anfrage behauptete sie kürzlich, ihr sei kein "jüngerer Planungs- und Preisstand" bekannt gewesen. Gleichzeitig wusste sie aber, dass "die alte Planung und Kostenermittlung der Fortschreibung bedurfte". Der gemeine Parlamentarier wurde dagegen im Glauben gelassen, die Fortschreibung sei längst beendet. So ist zu erklären, dass der CDU-Abgeordnete Winfried Scheuermann nach der Entscheidung im April frohlockte, er kenne keine Maßnahme, "bei der beim Abschluss der Planungen Mehrkosten von 47 Prozent der prognostizierten Kosten geregelt sind". Auch der damalige Staatssekretär im Verkehrsministerium, Rudolf Köberle, erschien ahnungslos: Er sagte im Ausschuss, es gebe "keinen Anlass für Befürchtungen, dass Vorentwurfsplanung und Entwurfsplanung hinsichtlich der prognostizierten Kosten auseinanderliefen".

Stetige Kostensteigerungen des Projekts

Das war seine Antwort auf die vielbeachtete Prophezeiung der von den Projektgegnern beauftragten Gutachter Vieregg & Rößler vom Juli 2008, die Kosten könnten von 2,8 auf bis zu acht Milliarden Euro steigen. Das passte nicht zur Aussage der Befürworter, Stuttgart 21 sei "eines der am besten geplanten Projekte der Bahn". Weil das alle glauben sollten, war zu diesem Zeitpunkt der beschlossene Risikofonds über 1,3 Milliarden Euro nicht mehr als eine überdimensionierte Sicherungsmaßnahme - die Hosenträger zum Gürtel sozusagen.

Es blieb dem damaligen Ministerpräsidenten Günther Oettinger nur wenig Zeit, die Prognosen der Gegner als "Horrorzahlen" zu kritisieren, denn schon vier Wochen nach dem Auftritt von Vieregg & Rößler musste er einräumen, "inflationsbedingte Kostensteigerungen" unberücksichtigt gelassen zu haben. Auf den überholten Preisstand von 2004 wurden noch einmal 266 Millionen Euro draufgesattelt. 3,076 Milliarden Euro sei "ein guter Wert, der genügend Vorsorge trifft", sagte Bahn-Manager Oliver Kraft. Und der SPD-Abgeordnete Wolfgang Drexler befand: "Es sind keine Überraschungen mehr zu befürchten."

Bereits 2008 mehr als 50 Prozent über dem veranschlagten Betrag

Diese Prognose hat sich dank der Juristen zu Stuttgart 21 als unhaltbar erwiesen. Sie fanden nach der Schlichtung Anfang dieses Jahres in Schriftstücken Anhaltspunkte, die die Finanzierungsvereinbarung vom 1. April 2009 in ein schiefes Licht rückten. Unterlagen der beauftragten Wirtschaftsprüfer belegen nämlich, dass der Bahn bereits Ende 2008/Anfang 2009 - also einige Monate vor Abschluss der Vereinbarung - "fertiggestellte" Schätzungen ihrer Fachplaner von immerhin 3,9271 Milliarden Euro vorgelegen hätten. Und dabei handelte es sich nur um die Baukosten. Inklusive unstrittiger Planungsaufwendungen von 547,1 Millionen Euro und des Inflationsausgleichs von 322,5 Millionen Euro, belief sich der Gesamtbetrag für Stuttgart 21 vor der Zeremonie demnach auf 4,8 Milliarden Euro - das waren mehr als 50 Prozent über dem veranschlagten Betrag. Aber es kam noch schlimmer.

Die Schätzung der Fachplaner wurde vom Projektsteuerer Drees & Sommer im Sommer sogar auf fünf Milliarden Euro erhöht. Hätte die Bahn damals nicht schnell die bis dahin angefallenen Planungskosten (186 Millionen) "vollständig aus Eigenmitteln", also außerhalb des Projekts finanziert, wären es sogar 5,2 Milliarden gewesen. Aus Sicht der Juristen zu Stuttgart 21 steht fest: Wäre dies rechtzeitig öffentlich geworden, hätte es keine Finanzierungsvereinbarung geben, in der zwar eine Aktualisierung nach Abschluss der Entwurfsplanung vereinbart wurde, in der es in Paragraf 2 aber grundsätzlich heißt: "Die Kosten betragen (.. .) unter Berücksichtigung vor allem der zu erwartenden Preis- und Lohnsteigerungen rund 3,076 Milliarden Euro." 

Risikofonds allein zur Aktualisierung längst überholter Pläne

Beschlossen wurde, einen Risikotopf mit 1,45 Milliarden Euro für Mehrkosten zu füllen - jedoch für solche, die sich aus Preissteigerungen oder technischen Risiken ergeben könnten. Eine Erhöhung um mehr als eine Milliarde Euro wurde zudem für "unwahrscheinlich" erklärt. Dass diese Vorsorge tatsächlich nicht nur für Unvorhersehbares erforderlich würde, sondern vor allem, um die Erhöhung zu finanzieren, die sich bereits aus der Aktualisierung längst überholter Pläne bereits ergeben hatte, blieb im Parlament unerwähnt.

Nach Ansicht des Arbeitskreises hätten aber alle Entscheidungsträger sofort über die Kostenschätzung der Fachplaner informiert werden müssen. Schließlich war damit die vereinbarte Schmerzgrenze von 4,526 Milliarden Euro überschritten. Dass man seinen Partner solche Infos nicht vorenthalten darf, ergibt sich für die Experten aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch.

Die Bahn dementiert gar nicht, Anhaltspunkte für höhere Kosten gehabt zu haben. Ihr Schweigen begründet sie damit, es habe sich um einen "Zwischenstand vor Abschluss der Nachkalkulation" gehandelt; die auf Basis der Entwurfsplanung ermittelten Kosten habe sie erst bis zum Ende der Ausstiegsfrist Ende 2009 vorlegen müssen. Außer Acht wird gelassen, dass die Schätzung von 3,9 Milliarden Euro Kosten die bis dahin aktuellste und verlässlichste war.

Noch immer drohen unvorhersehbare Nachbesserungen

Warum hat die Landesregierung nicht vorsorglich nachgefragt, da ihr doch die Haushaltsordnung auferlegt, Baukosten auf Grundlage aktueller Pläne zu ermitteln? Auf eine Grünen-Anfrage behauptete sie kürzlich, ihr sei kein "jüngerer Planungs- und Preisstand" bekannt gewesen. Gleichzeitig wusste sie aber, dass "die alte Planung und Kostenermittlung der Fortschreibung bedurfte". Der gemeine Parlamentarier wurde dagegen im Glauben gelassen, die Fortschreibung sei längst beendet. So ist zu erklären, dass der CDU-Abgeordnete Winfried Scheuermann nach der Entscheidung im April frohlockte, er kenne keine Maßnahme, "bei der beim Abschluss der Planungen Mehrkosten von 47 Prozent der prognostizierten Kosten geregelt sind". Auch der damalige Staatssekretär im Verkehrsministerium, Rudolf Köberle, erschien ahnungslos: Er sagte im Ausschuss, es gebe "keinen Anlass für Befürchtungen, dass Vorentwurfsplanung und Entwurfsplanung hinsichtlich der prognostizierten Kosten auseinanderliefen".

Aus heutiger Sicht betrachtet sei alles korrekt gelaufen, beteuern Bahn- und Ministeriumssprecher. Man habe schließlich auf die 5-Milliarden-Schockmeldung der Projektsteuerer mit der Suche nach "Einsparpotenzialen" und "Chancen aus der Optimierung von Bauwerken" begonnen und noch rechtzeitig eine Kostensenkung auf vier Milliarden Euro erreicht, so dass 450 Millionen Euro im Risikotopf verblieben. Es gibt auch eine andere Sicht der Dinge: Vier Milliarden Euro sind immer noch eine Milliarde mehr, als vereinbart wurden. Zudem sind bei dieser Betrachtung nur die Chancen berücksichtigt. Aber noch immer sind nicht alle Sparvorschläge beim Eisenbahnbundesamt angemeldet. Zudem drohen als Folge des Schlichterspruchs teure unvorhersehbare Nachbesserungen.

Auch deshalb hält es der Juristenarbeitskreis für unzulässig, dass das Vesper schon vor Marschbeginn verzehrt wurde. Den Risikofonds für Unwägbarkeiten einfach den Baukosten zuzurechnen, sei aber auch so nie geplant gewesen. Das belegten die Verpflichtungsermächtigungen des Landes, die teils Zuschüsse an die Bahn beträfen, teils aber nur "Bürgschaften, Garantien und sonstige Gewährleistungen". Am deutlichsten hat nach Ansicht der Stuttgart-21-Kritiker aber die Stadt den "Missbrauch des Risikopuffers" dokumentiert: Sie trennt sauber zwischen tatsächlichen Baukosten und eventuellen Verbindlichkeiten.