Wenn der S-21-Tiefbahnhof fertig ist, könnte ein weiterer unterirdischer Halt und der Ausbau von Zulaufstrecken folgen.

Stuttgart - Welche Möglichkeiten gibt es, die Schieneninfrastruktur nach der Inbetriebnahme des Projekts Stuttgart 21 auszubauen? Eine Arbeitsgruppe von Bahn, dem Verkehrsministerium des Landes, Region und Stadt Stuttgart soll bis zum Herbst dazu Bausteine definieren. In zwei Sitzungen, das berichtete Andrea Klett-Eininger, Leiterin des persönlichen Referats von OB Fritz Kuhn (Grüne)vor dem Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik, habe sich die Gruppe bisher auf sechs Prämissen verständigen können. Auch im regionalen Verkehrsausschuss wurde das Thema am Mittwoch behandelt. Dort trug Uwe Lahl, Ministerialdirektor im Verkehrsministerium vor. Letztlich gehe es darum, mögliche Engpässe in der Schieneninfrastruktur zu identifizieren, wenn der Zugverkehr verdoppelt werde, sagte er. Daran arbeite die Gruppe noch, er könne deshalb Ergebnissen nicht vorgreifen.

 

Von allen Mitgliedern akzeptiert wird laut Klett-Eininger die Aussage der Bahn, dass das auf 8,2 Milliarden Euro veranschlagte Projekt den geplanten Deutschlandtakt bewältigen könne. Dabei soll im Fernverkehr auf jeder Verbindung alle halbe Stunde ein Zug fahren. Alle Bestandteile von S 21 würden umgesetzt, die Führung der Gäubahn über den Flughafen gehöre dazu. Dazu gibt es massive Kritik aus Leinfelden-Echterdingen. Die Kommune befürchtete einen Engpass durch die Gäubahn und als Folge die Einstellung einer der beiden sie erreichenden S-Bahnlinien. Für Stuttgart habe der Städtebau Vorrang, es dürfe keine neuen oberirdischen Gleisanlagen geben, auch nicht als Interim, darauf einigte sich die Arbeitsgruppe ebenfalls.

Kritik von Linksfraktion und Puls

Bis auf die Linksfraktion und der Fraktion Puls befürworteten alle Vertreter im Ausschuss, auch die Grünen, am Dienstag diesen Zwischenstand. Die Arbeitsgruppe versuche zu suggerieren, dass die Fehler von Stuttgart 21 durch spätere Ausbauten geheilt werden könne, kritisierte dagegen Hannes Rockenbauch (SÖS) das Papier. Dabei sei klar, dass schon der Deutschlandtakt im Tiefbahnhof teils Dreifachbelegungen (drei Züge auf einem Gleis) nötig mache. Der achtgleisige Durchgangsbahnhof schaffe „ein Problem für die Zukunftsfähigkeit des Verkehrs“. Rockenbauch entwickle „Horrorszenarien“, auf die man nicht eingehen wolle, sagte Armin Serwani für die FDP. Bei allen sonstigen Differenzen könne er Rockenbauchs Thesen unterstützen, sagte dagegen Burghard Korneffel von der AfD. Das Funktionieren des Schienenverkehrs müsse Vorrang vor dem Städtebau haben, widersprach Debora Köngeter (Puls) einem der Ergebnisse der Arbeitsgruppe.

SPD und CDU sehen die Prämissen für die weiteren Gespräche richtig gesetzt. Grüne-Fraktionschef Andreas Winter sagte, Ziel der Bundesregierung sei, auch aus Klimaschutzgründen, eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen. Um sie zu erreichen müsse man jetzt den Ausbau der Schieneninfrastruktur in den Blick nehmen. Im Papier heißt es dazu: „Neben der Frage möglicher unterirdischer Ausbauoptionen im Knoten sind dies insbesondere die Zuläufe und Tangenten.“ Sie werden als „Vorsorgemaßnahmen für zukünftige Entwicklungen“ definiert.

Haltepunkt im Norden

Eine Maßnahme hat der Ausschuss beschlossen: die mit dem Verband Region Stuttgart (VRS) abgestimmten Planung für den Bau eines Haltepunktes am Nordbahnhof. Dorthin sollen Züge auf der Panoramastrecke (Gäubahn) fahren. Sie erreichen den Tiefbahnhof nicht. Christoph Ozasek (Linke) drängt auf ein Betriebskonzept, das die Strecke bedient, sobald sie vom Kopfbahnhof abgehängt wird. Neue Haltepunkte hält er für möglich. Das Land, so Klett-Eininger, habe in Aussicht gestellt, Nahverkehrszüge ab Horb zum Nordbahnhof zu fahren. Auch der regionale Verkehrsausschuss stimmte der Planung zu und stellte dafür wie Stadt und Land 250 000 Euro zur Verfügung.

Ausgelöst hatte die Debatte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), der einen zusätzlichen unterirdischen Kopfbahnhof ins Gespräch gebracht hatte, um bei einer Verdoppelung der Fahrgäste mögliche Kapazitätsengpässe, unter denen die S-Bahn leiden könnte, auszuschließen. Dieses Vorgehen ohne Beteiligung des regionalen Verkehrsausschusses wurde am Mittwoch von CDU, SPD, Freien Wählern und FDP scharf kritisiert, so sprach Bernhard Maier von einem „groben Foul“. Zumal die Bahn einen ergänzenden Kopfbahnhof nicht für nötig erachte, wie Thorsten Krentz von der Deutschen Bahn sagte.

Dagegen verlangte Grünen-Fraktionschef André Reichel eine sachliche Debatte darüber, wie der Bahnknoten Stuttgart künftig aussehen soll. „Das Land ist nicht unser Feind“, sagte er. Sein Fraktionskollege, OB Fritz Kuhn, betonte, dass nicht nur die Kapazitäten des Bahnhofs, sondern auch die der Zulaufstrecken untersucht werden. Zumindest darüber herrschte Einigkeit.