Der Landesvorstand der CDU hat sich auf der Stuttgart-21-Baustelle umgeschaut, wie die Arbeiten vorangehen. Die Freude über die Entscheidung des Bahnaufsichtsrats wird bei der Union überlagert vom Ärger über die grün-rote Regierungskoalition.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Kurz bevor es losgeht, beginnt es zu nieseln und der Wind bläst kräftiger. Gut 20 Mitglieder des CDU-Landvorstands warten vor dem Landtag auf den Bus. An diesem Freitagabend treffen sie sich zu einer Sitzung im Turm des Hauptbahnhofs. Doch vorher wollen sie sich auf der Stuttgart-21-Baustelle umschauen. Nach dem Beschluss des Bahnaufsichtsrates, Stuttgart 21 trotz des um zwei Milliarden Euro erhöhten Kostenrahmens doch weiter zu bauen, wolle man nun „sehen, wie die Bauarbeiten vorangehen“, begrüßt der stellvertretende CDU-Landesvorsitzende Winfried Mack am Busmikrofon seine Kolleginnen und Kollegen.

 

Die Fahrt führt vorbei am Hauptbahnhof, wo an der Nordseite die Baugrube für das neue Technikgebäude klafft. Etwa 450 Millionen Euro seien bis jetzt verbaut, erfahren die Mitglieder CDU-Landsvorstands, 55 Prozent der Aufträge vergeben, darunter auch die zahlreichen Tunnelbauwerke. Auf 13 Baustellen werde gegenwärtig gebaut, derzeit freilich noch „in homöopathischen Dosen“, erklärt Projektsprecher Wolfgang Dietrich. Er dankt der CDU für die langjährige Unterstützung für das Projekt und spricht von einer „neuen Legitimation“ und einem „Riesenschub“, den die Entscheidung des Aufsichtsrats gebracht habe.

„Jetzt gibt es kein Rütteln mehr“

Die Mitglieder im CDU-Landesvorstand sind froh über diesen Schritt. „Die Entscheidung war wichtig, jetzt gibt’s kein Rütteln mehr“, sagt zum Beispiel Nicole Razavi, Landtagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Geißlingen, als der Bus eben an der Baustelle hinter der Baden-Württembergischen Landesbank vorbeifährt. Dort ragen neun Kräne aus der Baugrube für das Einkaufszentrum Milaneo in den Himmel. Auch der Landeschef Thomas Strobl freut sich, „dass für die Bürger jetzt spürbar wird, dass es vorangeht“. Aber die Freude ist merklich verhalten. Strobl jedenfalls betont vor allem, wie „viel Schweiß und harte Arbeit“ der lange Jahre dauernde Einsatz für das Projekt die Union gekostet habe.

Trotz der enormen Kostensteigerung hat man in der Landes-CDU keine Zweifel an dem Projekt. „Wir stehen voll hinter Stuttgart 21 – auch wenn wir diese Kostensteigerungen natürlich alle kritisieren“, sagt Nicole Razavi. Für die verkehrspolitische Sprecherin der Unionsfraktion ist das Projekt seit einigen Jahren der Arbeitsschwerpunkt. Auch sie aber kann die Entscheidung des Bahn-Aufsichtsrats nicht einfach selbstzufrieden als Erfolg der Union genießen, auf der Oppositionsbank trübt sich der Blick auf die Dinge doch etwas ein. Verärgert sind die Töne, die man zu hören bekommt, gerichtet natürlich gegen die grün-rote Landesregierung. „Unverantwortlich“, „ideologisch“, „wahltaktisch“ nennen die Mitglieder des CDU-Landesvorstandes die Entscheidung, die optimierte Variante des Filderbahnhofs durch die Absage an eine Mitfinanzierung zu kippen.

Bahn kritisiert „behördlichen Schwergang“

Bei aller Kritik geht es auf er Rundfahrt doch gut gelaunt zu. Als auf einer Eisenbahnbrücke an der Presselstraße, wo man einen guten Blick auf die zentrale Logistikfläche hat, die Rede auf den Schutz des Juchtenkäfers kommt, verbreitet sich Heiterkeit in der Gruppe. Christian Wörner, der für diesen Abschnitt zuständig Projektleiter, erläutert an der Stelle, wie das für diesen 3,5 Kilometer langen Tunnelabschnitt vorgesehene „Baggervortriebsverfahren“ und der Abtransport des in Containern angelieferten Aushubs über die Schiene funktioniert.

Zum Abschluss der Fahrt, man befindet sich bereits im Turmforum hoch über der Stuttgart-21-Baustelle, schildert Projektsprecher Wolfgang Dietrich noch, bei welchen Themen der Bahn immer noch „der Wind ins Gesicht bläst“. Aufgrund des „behördlichen Schwergangs“ dauerten bei Stuttgart 21 die Genehmigungsverfahren zwei- oder dreimal so lange wie bei den Projektabschnitten auf der Alb, wo man sehr gut vorankomme. Dort soll im Juli der erste Tunnelanstich stattfinden. Geradezu gequält fragt Dietrich, was die Bahn noch tun müsse, „um in Ruhe bauen zu können“.

„Die Leute sagen: macht einen Knopf dran“

Das kann auch einer verstehen, der früher zu den Gegnern des Projekts gehört hat. Der Ex-Grüne Oswald Metzger ist seit 2008 in der Union und seit 2011 Beisitzer im CDU-Landesvorstand. „Skeptisch bin ich immer noch“, sagt Metzger. Er fühle sich bestätigt in seinen Befürchtungen der Kostenentwicklung. Das sei häufig so bei politischen Großprojekten: „Man geht mit günstigen Kosten rein, um es durchzubringen.“ Aber das sei kein Aufreger mehr, findet Metzger. „Die Leute sagen inzwischen doch: Herrgott, macht einen Knopf dran.“