Die zwischendurch geplanten Fluchttreppenhäuser auf den Bahnsteigen des Durchgangsbahnhofs von Stuttgart 21 werden nicht gebaut. Stattdessen entstehen Fluchtwege am Ende der Bahnsteighalle. Die Bahn muss eine erneute Brandsimulation vorlegen.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Im Falle eines Brandes sollen sich Zugreisende auf dem Durchgangsbahnhof bei Stuttgart 21 über neu geplante Rettungswege an den beiden Enden der Bahnsteighalle in Sicherheit bringen. Das Eisenbahn-Bundesamt (Eba) hat diesem überarbeiteten Konzept nun zugestimmt. Somit wird auf die zwischenzeitlich geplanten zusätzlichen Fluchttreppenhäuser auf den Bahnsteigen verzichtet. An deren Platzierung hatte sich Kritik entzündet, da S-21-Gegner auf den schmalen Durchgang zwischen Bahnsteigkante und Treppenhaus verwiesen hatten.

 

Branddirektion besteht auf Sachverständigen

Auf Druck der Stuttgarter Branddirektion muss die Bahn von Sachverständigen bestätigen lassen, dass „die Funktionsfähigkeit und Wirksamkeit der unterschiedlichen Anlagen und Einrichtungen der Brandschutzanlagen zur Inbetriebnahme gegeben ist“, heißt es in dem Bescheid des Eba, der vom 19. März stammt, aber erst jetzt veröffentlicht wurde. Die „Funktionsfähigkeit der Anlagen wird vor Inbetriebnahme durch einen Praxistest sowie auch während der Betriebsphase in regelmäßigen Abständen geprüft.“ Zudem muss die Bahn zusagen, vier verschiedene Brandszenarien „unter Berücksichtigung der Änderungen zeitnah neu zu simulieren.“ Das bereits genehmigte Brandschutzkonzept wird fortgeschrieben.

Das nun genehmigte Konzept sieht vor, dass von jedem der vier Bahnsteige an beiden Enden Fluchtwege an die Oberfläche führen. An der Nordseite kämen die Flüchtenden durch vier Öffnungen im Kurt-Georg-Kiesinger-Platz am Rand der Heilbronner Straße wieder ans Tageslicht. Die Klappen, die die Öffnungen verschließen, öffnen sich im Brandfall automatisch. „Solche Klappen haben wir an den Hauptbahnhöfen in Leipzig und in Berlin bereits im Einsatz“, sagt Michael Pradel, der für den Durchgangsbahnhof zuständige Abschnittsleiter bei der Bahn. Ursprüngliche Überlegungen, die vier Fluchtrouten in ein gemeinsames tiefergelegtes Gebäude zu führen und von dort ins Freie, hätte vorausgesetzt, dass die viel befahrene Heilbronner Straße an dieser Stelle hätte angehoben werden müssen. Das ist vom Tisch. Nun werde „die Lage der Heilbronner Straße geringfügig geändert“, heißt es in dem Beschluss. Am anderen Ende der Bahnsteighalle in Richtung Willy-Brandt-Straße führen ebenfalls vier Wege aus der unterirdischen Bahnsteighalle. Die Flüchtenden gelangen dort über den herkömmlichen südlichen Zugang zum Hauptbahnhof wieder ins Freie. Der Ausgang wird deswegen geringfügig größer. Die Fluchtwege variieren in ihrer Breite. An der schmalsten Stelle seien diese 2,4 Meter breit, sagt Klaus-Jürgen Bieger, der Brandschutzbeauftragte der Bahn.

Eba-Genehmigung befasst sich ausführlich mit dem Brandschutz

Kritiker des milliardenschweren Projekts hatten immer wieder betont, dass aus ihrer Sicht die Sicherheit der Reisenden im Falle eines Brandes nicht gegeben sei. Der Brandschutz und die Entrauchung, also die Frage, wie sichergestellt wird, dass die Bahnsteighalle nicht verqualmt und damit die Flüchtenden in Gefahr bringt, hat in dem nun erlassenen Beschluss breiten Raum eingenommen. Auf zehn der insgesamt 33 Seiten wägt die Behörde die vorgebrachten Argumente der Stuttgarter Branddirektion sowie des Stuttgarter Regierungspräsidiums einerseits sowie die Stellungnahmen der Bahn andererseits gegeneinander ab.

Die mit dem Bau des Bahnknotens betraute DB-Projektgesellschaft Stuttgart–Ulm (PSU) hat sich nun knapp zwei Jahre um diese Genehmigung bemüht. Immer wieder musste sie ihre Prognose, wann das Plazet des Eba vorliegt, verschieben. Ende April 2016 hatte die PSU die Änderung beantragt. Die Stadt Stuttgart und das Regierungspräsidium durften ihre Sicht der Dinge vortragen, ebenso 26 Behindertenverbände. Die Eigentümergemeinschaft eines Grundstücks machte ihre Belange geltend, sodass die Bahn ihren Antrag im Mai 2017 in einer überarbeiteten Fassung abermals vorlegte. Daher musste das Eba der Stadt und dem RP nochmals die Gelegenheit geben, sich zu äußern. Trotz der langen Verfahrensdauer und der Verschiebung der Fluchtwege gelangt das Eba zur Ansicht, es bedürfe „weder eines Anhörungsverfahrens noch der öffentlichen Bekanntgabe dieser Entscheidung, weil es sich um eine Planänderung von unwesentlicher Bedeutung handelt“.

Tatsächlich aber bedurfte es der nun vorliegenden Genehmigung, um den Bau der für den Durchgangsbahnhof so charakteristischen Kelchstützen fortzusetzen, die einmal das Dach der Bahnsteighalle bilden werden. Deren Statik war in Teilen von der Entscheidung über das Fluchtwegkonzept abhängig. Bei der ersten Kelchstütze bauen derzeit 15 Spezialisten den Baustahl ein. Das ist wegen der Formgebung nicht trivial. Betoniert werden soll im Lauf des Sommers. Ursprünglich hatte die Bahn darauf gehofft, Ende des Jahres 2017 die erste Kelchstütze errichtet zu haben.