176 Bäume im Schlossgarten müssen den Stuttgart-21-Bauarbeiten weichen. Der BUND will das verhindern, die Bahn sieht sich für die Auseinandersetzung gut vorbereitet.

Stuttgart - Den genauen Zeitpunkt, wann die Zeltstadt im Mittleren Schlossgarten geräumt und mit den anschließenden Baumarbeiten begonnen wird, wollen die Projektverantwortlichen der Bahn aus Sicherheitsgründen nicht bekanntgeben. Lange wird es aber nicht mehr dauern, bis der heikle Einsatz, den wohl einiger Widerstand begleiten wird, beginnt. „Die Planung der Polizei ist bereits angelaufen, innerhalb der nächsten zwei Wochen werden die Arbeiten im Schlossgarten beginnen“, erklärte der Stuttgart-21-Sprecher Wolfgang Dietrich am Freitag.

 

Insgesamt 176 Bäume müssen aus dem Baufeld geräumt werden, was der Naturschutzverband BUND mit einem Eilantrag vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim verhindern will. Eine entsprechende Klage, in der als Begründung unzureichende Artenschutzmaßnahmen angeführt werden, ist bereits eingereicht worden. Eine aufschiebende Wirkung für die geplanten Arbeiten hat die Eingabe aber nicht. Derzeit prüft der VGH noch, ob die Behörde überhaupt zuständig ist. Eine denkbare Möglichkeit sei, so eine Sprecherin, dass der Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Stuttgart verwiesen wird.

Maßnahmenplan darstellen

Gleichzeitig hat auch die Bahn einen 35-seitigen Schriftsatz nebst diverser Anlagen beim VGH und dem Verwaltungsgericht eingereicht, um ihren Maßnahmenplan darzustellen und die Rechtmäßigkeit der Arbeiten juristisch zu begründen, so der Bahn-Anwalt Josef-Walter Kirchberg: „Wir sind gut auf die Klage vorbereitet.“ Im Übrigen sei es sinnvoller, wenn die Experten des BUND und der Bahn künftig fachliche Gespräche führen würden, anstatt sich in Gerichtssälen zu streiten.

Den Weg für die Baumarbeiten frei gemacht hat , wie berichtet, das EisenbahnBundesamt (Eba), das am Donnerstag sein im Oktober 2010 verhängtes Fällverbot nach Prüfung der Bahnunterlagen zurückgenommen hat. In dem Beschluss der Aufsichtsbehörde sind etliche Artenschutzmaßnahmen und Auflagen enthalten, die aber wohl allesamt zu keinen weiteren Verzögerungen führen. So dürfen im Bereich des Ferdinand-Leitner-Stegs 20 Bäume mit Juchtenkäferpopulationen nicht gefällt werden. Zusätzlich müssen sie für die Dauer der Arbeiten umzäunt werden, damit sie geschützt sind und verhindert wird, so der Bescheid, „dass die Juchtenkäfer abwandern“. Zwei weitere Bäume im Bereich des Baufeldes, in denen Fledermäuse ihr Winterquartier bezogen haben, müssen ebenfalls stehen bleiben und dürfen erst im Oktober gefällt werden. Zudem muss die Bahn durch eine ökologische Bauüberwachung sicherstellen, „dass alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden, um Umweltschäden wirksam zu verhindern“.

Massiver Widerstand

Aus den Reihen der Parkschützer und anderer Projektgegner ist bereits massiver Widerstand gegen die Arbeiten im Schlossgarten angekündigt worden, und auch die Grünen-Fraktion im Landtag übt heftige Kritik an der Bahn und ihrem Koalitionspartner SPD. So schreibt der Landtagsabgeordnete Nikolaus Tschenk in einem parteiinternen Brief: „Die Volksabstimmung ist keine Ermächtigung für die Bahn, zu tun und zu lassen, was sie will, und sie ist auch keine Ermächtigung für die SPD, das Vorgehen der Bahn zu befördern.“ Dass der Finanzminister Nils Schmid der Bahn gestattet habe, Flächen im Schlossgarten für das Bauprojekt zu nutzen, widerspreche vielfältigen Vorstößen der Grünen.

Kritik kommt zudem auch aus der SPD selbst. In einem offenen Brief an Finanzminister Schmid schreiben einige SPD-Mitglieder: „Das Projekt, das ihr vor der Volksabstimmung noch als ,bestgeplant‘ und ,bestfinanziert‘ gerühmt habt, entpuppt sich kurz danach und immer offensichtlicher als fehlgeplant und falschgemünzt.“ Das Projekt sei weder zweifelsfrei geplant noch sicher finanziert. Deshalb appelliere man, den Abriss des Südflügels und die sinnlose Rodung im Park zu stoppen.

Zeitplan einhalten

Die Bahn ist ihrerseits nun bemüht, ihren Zeitplan doch noch zu halten. Der erste Schritt im Schlossgarten wird sein, das Zeltdorf zu räumen, wobei die Stadt mit den Campbewohnern zuvor noch einmal über eine friedliche Lösung sprechen will. Laut Projektsprecher Dietrich hat es bereits erste Signale seitens der Stadt gegeben, dass die Räumung ohne Krawalle ablaufen könnte. Bei der anschließenden Rodung des Baufeldes will die Bahn zuerst mit den Fällungen beginnen, um mehr Platz für das Versetzen jener 68 Bäume zu haben, die an einen anderen Standort kommen. 14 davon bleiben im Schlossgarten, ein Teil wird auf dem Pragfriedhof eingepflanzt, der Rest wird im ganzen Stadtgebiet verteilt, etwa in Möhringen und Feuerbach.

Viel Zeit bis zum Beginn der Vegetationsperiode am 1. März bleibt dafür nicht mehr. „Wir glauben aber, dass wir es noch schaffen können“, sagt Dietrich. Der Bahn-Anwalt Kirchberg räumt allerdings ein, schon die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung zum Fällen innerhalb der Vegetationszeit ausgelotet zu haben. Laut Zeitplan will die Bahn im Sommer oder spätestens Herbst mit den Tunnelarbeiten für den Tiefbahnhof beginnen, dafür muss zuvor das Baufeld geräumt sein. Bis dahin sollten zudem auch die Arbeiten am Grundwassermanagement, die derzeit ruhen müssen, abgeschlossen sein. Laut Kirchberg rechnet die Bahn aber nicht vor Juni mit dem Abschluss des zusätzlichen Verfahrens, das der VGH angeordnet hat. Zudem muss die Bahn noch einen Genehmigungsantrag stellen, um mehr Grundwasser als geplant abpumpen zu dürfen.