Nach einer Veranstaltung von Stuttgart-21-Gegnern blieben 13 Teilnehmer im Sitzungssaal des Stuttgarter Rathauses. Vor dem Amtsgericht wertete der Richter ihr Bleiben nicht als zivilen Ungehorsam, sondern als Hausfriedensbruch.
Stuttgart - Fünf von zehn angeklagten S-21-Gegnern sind am Dienstag am Amtsgericht wegen Hausfriedensbruchs zu Geldstrafen verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft warf ihnen vor, bei der Besetzung des Stuttgarter Rathauses in der Nacht vom 10. auf den 11. November 2012 beteiligt gewesen zu sein. Tagsüber hatte im Rathaussaal der „4. Große Ratschlag“ stattgefunden, eine gemeinsame Veranstaltung von SÖS und Linke, die sich mit der Frage beschäftigte, wie der Widerstand gegen das Projekt Stuttgart 21 fortgeführt werden könne. Die offene Veranstaltung war auf 18 Uhr terminiert. Die meisten Teilnehmer verließen das Rathaus, 13 blieben. Sie wollten ein Bürgerparlament gründen und ließen sich weder von den Angestellten des Rathauses noch von den Bürgermeistern Werner Wölfle und Michael Föll dazu bewegen, den Großen Saal zu verlassen. Am späten Abend räumte die Polizei das Rathaus.
Für den Richter ist die Besetzung kein ziviler Ungehorsam
In der Folge ergingen 13 Strafbefehle. Drei der Beteiligten bezahlten, zehn legten Widerspruch ein und ließen es am Dienstag auf einen Prozess ankommen. Da, wie Richter Michael Gauch erläuterte, das Gericht über keinen Saal verfüge, der zehn Angeklagten samt Verteidigern Platz biete, habe man die Verfahren auf zwei Prozesse verteilt: einen am Vor-, einen am Nachmittag. Trotz der identischen Ausgangslage hätten die Verhandlungen nicht unterschiedlicher verlaufen können.
Der erste Prozess blieb nahezu ergebnislos: Das Verfahren gegen einen 50-Jährigen wurde eingestellt und zwei Befangenheitsanträge – einen gegen den Richter, einer gegen die Staatsanwältin – legten das Verfahren lahm, weil die Angeklagten nun nicht mehr in die Beweisaufnahme einsteigen wollten. Der Prozess wurde auf den 31. Januar vertagt.
Das Ergebnis des zweiten Prozesses am Nachmittag waren 15 Tagessätze zu 50 Euro für drei der Angeklagten sowie etwas geringfügigere Sätze für zwei weitere Angeklagte. Seine Beteiligung an der Hausbesetzung hatte keiner von ihnen abgestritten. Aber ihre Anwälte besahen sie in anderem Licht und forderten Freisprüche. Holger Isabelle Jänicke argumentierte, es habe sich um eine politische Versammlung gehandelt, die hätte formal aufgelöst werden müssen. Die polizeiliche Räumung habe einer Rechtsgrundlage entbehrt. „Das Versammlungsrecht in dieser Stadt wird mit Füßen getreten!“ Verteidiger Ulrich Hahn deutete die Besetzung als einen Akt zivilen Ungehorsams, der unter den gegebenen Voraussetzungen nicht bestraft werden dürfe. Für Richter Gauch blieb die Aktion vom November 2012 indes einfach eine Hausbesetzung.