Das neue Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Märkische Revision hat erwartungsgemäß unterschiedliche Reaktionen ausgelöst.

Stuttgart - Das Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Märkische Revision, wonach die Bahn im Fall einer Beendigung des Projekts Stuttgart 21 lediglich 350 Millionen Euro Entschädigung zu erwarten habe, hat erwartungsgemäß unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Die Gruppe Juristen für Stuttgart 21 nannte die Expertise "nicht tragfähig". Wer einen Vertrag kündige, müsse die geschädigte Partei so stellen, als er habe er die Vereinbarung erfüllt, so der Sprecher der Gruppe, Stefan Faiß. Dazu gehöre auch ein entgangener Gewinn.

 

Die Märkische Revision hatte insbesondere in Bezug auf die Rückabwicklung der Grundstücksgeschäfte mit der Landeshauptstadt argumentiert, durch die Rückzahlung des Kaufpreises von 708 Millionen Euro entstehe der Bahn kein Vermögensschaden. Für Faiß ein Fehlschluss: beim Kauf sei die Bahn davon ausgegangen, es handele sich um potenzielle Bauflächen. Der Bahn würde also bei einer Rückabwicklung des Geschäfts ein Vermögensschaden aus dem entgangenen Gewinn entstehen, schlussfolgern die projektbefürwortenden Juristen. Zudem bezweifelt die Gruppe, ob es haushaltspolitisch vernünftig sei, selbst 350 Millionen Euro auszugeben, ohne dafür einen Gegenwert zu erhalten.

Grüne: Ausstieg billiger als Weiterbau

Widerspruch kam auch von SPD-Finanzstaatssekretär Ingo Rust. Er erklärte, dass während der Stuttgart-21-Schlichtung drei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, darunter die Märkische Revision, die Berechnungen der Bahn zu den Ausstiegskosten bestätigt hätten. Dass die Märkische Revision ihr Rechnungen revidiert habe, nähre den Verdacht, dass das Gutachten vom Verkehrsministerium "bestellt" worden sei. Bahn-Chef Rüdiger Grube hatte dieser Tage gegenüber der Stuttgarter Zeitung betont, gegebenenfalls Regress von "mindestens" 1,5Milliarden Euro zu fordern.

Ganz anders bewertete die Sprecherin des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, Brigitte Dahlbender, das Gutachten. "Wir freuen uns, dass das Verkehrsministerium unsere Berechnungen bestätigt", so Dahlbender. Die von Bahn und Projektbefürwortern genannten Ausstiegskosten hätten sich endgültig als falsch erwiesen; sie dienten nur dazu, die Bürger im Land vor der Volksabstimmung am 27.November zu verunsichern. Ihr Co-Sprecher Hannes Rockenbauch betonte, nun fehle den Befürwortern des geplanten Tiefbahnhofs ihre zentrale Aussage, wonach der Ausstieg aus dem Bahnprojekt zu teuer sei.

Auch Parteifreunde sprangen dem Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) bei, der die Expertise am Freitag vorgestellt hatte und daraufhin umgehend vom SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel angegangen worden war. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Harald Ebner (Schwäbisch Hall), Mitglied im Verkehrsausschuss, erklärte, die jetzt ermittelten 350 Millionen Euro muteten im Vergleich zu den bisher genannten 1,5 Milliarden fast wie ein Sparpreis an. Natürlich schmerze es sehr, auch eine solche Summe einfach abzuschreiben. Finanziell wäre dies aber im Vergleich zum Weiterbau das kleinere Übel, so Ebner.