Ein Ausstieg aus dem Projekt könnte teuer werden: Die Schadensersatzforderungen würden laut Bahnchef Grube mehr als 1,5 Milliarden Euro betragen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Für Rüdiger Grube gibt es in Baden-Württemberg eine klare Mehrheit, die für Stuttgart 21 spricht. Acht von elf Millionen Einwohnern des Landes hätten Vorteile durch das Projekt, so rechnet Grube vor. Auf 260 Seiten wird das für jeden Landkreis aufgeschlüsselt – ein Katalog voller Argumente mit Blick auf die Volksabstimmung am Sonntag.

 

Vier Tage vor dem Plebiszit warnte Grube noch einmal eindringlich vor den Risiken eines Votums gegen S21. Als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG wäre er unter solchen Umständen zu Schadenersatzklagen verpflichtet. Die tatsächlichen Schadenersatzforderungen an das Land seien mit der bisher von seinem Unternehmen genannten 1,5 Milliarden Euro „viel zu positiv beschrieben“, sagte Grube am Mittwoch in Berlin.

Realistisch sei vielmehr „ein Betrag oberhalb von 1,5 Milliarden“. Für die weitaus geringeren Summen, mit denen etwa der Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) operiere, gebe es keinen seriösen Beleg. Die von den Grünen präsentierte Expertise der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Märkische Revision erfülle nicht die Anforderungen, die an ein belastbares Gutachten zu stellen wären. Für die Bürger des Landes Baden-Württemberg stelle sich bei der Volksabstimmung die Frage: „Will man 1,5 Milliarden Euro ausgeben für nichts?“

Kein Plan B als Alternative vorhanden

Zudem sei die Schieneninfrastruktur im Herzen Baden-Württembergs dringend renovierungsbedürftig, falls das Projekt Stuttgart 21 nicht realisiert würde. Der Zustand von Gleisen, Weichen und Signalanlagen sei "wirklich an der Grenze, wo wir befürchten müssen, dass die Betriebssicherheit nicht mehr gegeben ist", warnte der Bahn-Chef. Sofern der Tunnelbahnhof und die Neubaustrecken nicht gebaut würden, müssten für die Modernisierung der alten Bahnanlage 1,3 Milliarden Euro investiert werden.

"Die Diskussionen über Stuttgart 21 schädigen mittlerweile den Investitionsstandort Deutschland", mahnte Grube. Er sprach von einem "schleichenden Prozess" des schwindenden Vertrauens in die Investitionssicherheit. Der Bahn-Chef sieht zudem die Gefahr, dass ein Aus für Stuttgart 21 Rückschläge für andere Schienenbauvorhaben auslösen könnte. Die Bahn verfolge zurzeit bundesweit baureife Projekte für insgesamt 80 Milliarden Euro. Im Falle eines negativen Votums bei der S-21-Abstimmung, so Grube, "hätten wir da ein Riesenproblem".

Der Bahn-Chef bekräftigte erneut, dass es keinen Plan B als Alternative zu Stuttgart 21 gebe. Wenn die grün-rote Landesregierung aus dem Milliardenprojekt aussteigen wollte, würden nach seiner Ansicht für lange Zeit keine Finanzmittel für andere Pläne bereitstehen. "In den nächsten 15 bis 20 Jahren passiert nichts", sagte Grube.

Nicht K21 sondern G21

Die Alternative zu Stuttgart 21 heiße nicht K21, sondern "G21, nämlich gar nichts". Ohne den Bahnhofsneubau in Stuttgart werde auch die Neubaustrecke von Wendlingen nach Ulm nicht gebaut, betonte Grube. Gegenteilige Äußerungen des Grünen-Ministers Hermann wertete der Bahn-Chef als "Behauptungen, die nicht konform gehen mit den Verträgen".

Grube zufolge gibt es "bisher keine Anzeichen, dass der Finanzierungsrahmen nicht ausreichend bemessen" sei. Wenn dennoch Mehrkosten fällig werden sollten, die höher als 390 Millionen Euro liegen, dann sehe er auch das Land in der Pflicht, Geld nachzuschießen. Die Erklärung der Stuttgarter Regierung, keine Mehrkosten übernehmen zu wollen, nannte der Bahn-Chef "vertragswidrig".

Grube äußerte sich skeptisch zur avisierten Bauzeit von zehn Jahren. Es sei "extrem schwierig", den Fertigstellungstermin 2019 zu halten. Die Verzögerungen durch Schlichtung, Stresstest und Baupausen hätten fast ein Jahr gekostet. Dennoch will er auch bei einem Votum für S21 erst 2012 weiterbauen. Vor Dreikönig, versicherte er, werde die Bahn nichts unternehmen, "was Potenzial für eine Eskalation birgt".