Laut dem Grünen-Abgeordneten Anton Hofreiter rechnen interne Experten der Bahn mit deutlich höheren Kosten für Stuttgart 21. Die Bahn dementiert.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Stuttgart - Nach internen Hochrechnungen diverser Experten der Deutschen Bahn AG (DB) werde Stuttgart 21 noch teurer als bisher bekannt. Das sagte der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Deutschen Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), der Stuttgarter Zeitung. „Fachleute des Staatskonzerns gehen inzwischen von Gesamtkosten von rund 11 Milliarden und einer Fertigstellung nicht vor 2025 aus“, so der Abgeordnete. Die DB wies die Behauptung zurück. „Es gelten unverändert die Angaben, die der Holdingvorstand dem Aufsichtsrat am 12. Dezember vorgestellt hat“, so ein Bahnsprecher. Darüber hinaus weise man „jegliche Spekulationen über Kostensteigerungen und Terminverschiebungen zurück“. Es handele sich um ein fragwürdiges politisches Manöver seitens der Grünen vor dem anstehenden Projektgespräch.

 Der CDU-Landeschef Thomas Strobl kritisierte die Grünen-Äußerungen ebenfalls heftig: «Es geht nicht, dass Regierungsmitglieder das Projekt ständig madig machen, verzögern und hintertreiben», sagte er der Nachrichtenagentur dpa. «Diesem Treiben muss der Ministerpräsident ein Ende machen.» Die Projektpartner Bahn, Stadt und Land müssten endlich gut zusammenarbeiten.

 

Hofreiter will erfahren haben, dass die wirklichen Kosten von S 21 in Hochrechnungen, die im Konzern unter Verschluss gehalten würden, bis auf eine Stelle hinterm Komma berechnet worden seien. „Demnach würde das Bahnprojekt unterm Strich zwischen 10,7 und 11,3 Milliarden Euro kosten“, so Hofreiter. Zuletzt hat die Bahn Kosten und Risiken im Umfang von 6,8 Milliarden Euro eingeräumt. Die Finanzierungsvereinbarung regelt aber nur die Verteilung von Gesamtkosten im Umfang von 4,52 Milliarden Euro. Hofreiter sagt, er beziehe seine Informationen von zuverlässigen und sachkundigen Informanten im Konzern. Um die Deckungslücke zu schließen, will der Bahnchef Rüdiger Grube den Eigenanteil des Konzerns um 1,1 Milliarden Euro auf 2,8 Milliarden Euro erhöhen. Der DB-Aufsichtsrat hat diesem Plan bisher nicht zugestimmt. Das Kontrollgremium lässt prüfen, ob das Risiko vertretbar und S 21 noch wirtschaftlich ist.

Es werden deutlich höhere Kosten erwartet

Der bisher von der Bahn genannte Betrag sei „eine politische Zahl, um das Projekt am Leben zu erhalten“, sagt Hofreiter. Er wisse, dass viele Risiken ausgeblendet worden seien. Die Bahn habe zudem nicht ausreichend Vorsorge für Preissteigerungen während der langen Laufzeit des Projekts geschaffen. Die DB-Experten gehen außerdem intern davon aus, dass der Tiefbahnhof frühestens 2025 und damit sechs Jahre später fertig werde als lange Zeit versprochen. Die Milliardenausgaben würden vor allem zwischen 2015 und 2025 anfallen, insbesondere für die aufwendigen, riskanten rund 70 Kilometer langen Tunnelbauten im Stadtgebiet.

Die kritischen internen DB-Studien gingen nicht nur von Preissteigerungen von jährlich mindestens drei Prozent bei den Baukosten aus – doppelt so viel wie offiziell verlautbart. Erwartet wird laut Hofreiter auch, dass die Kosten für die komplizierten Tunnelbauten am Ende deutlich höher liegen werden. Ebenso seien Mehrausgaben für den Brandschutz im Tiefbahnhof, die Anlagen zur Entrauchung und für die Evakuierung im Notfall zu erwarten. „Besonders die 7-Uhr-Spitze morgens macht den DB-Experten große Sorge“, will der Politiker erfahren haben. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses sagt: „Die Nervosität in den Führungsetage der DB wegen der erneuten Kostenexplosion bei S 21 ist sehr groß.“ Besonders die Frage einer möglichen persönlichen Haftung beschäftige Vorstände und Aufsichtsräte. „Teils empört, teils sehr besorgt“ hätten Mitglieder des Bahn-Aufsichtsrats in der letzten Sitzung des Bahn-Aufsichtsrats am 12. Dezember auf die Kostenexplosion reagiert, erklärten Teilnehmer gegenüber der Stuttgarter Zeitung. Wie berichtet, hat die Führungsspitze Rechtsgutachten bestellt, um zu klären, inwieweit Managern und Kontrolleuren Haftungsklagen und Strafverfahren wegen Untreue drohen könnten, falls S 21 im Chaos ende. Ungemach droht auch von der Projektgegner-Gruppe von Juristen, Anwälten und Richtern, die Strafanzeigen nicht scheuen.

Eine Entscheidung über den Fortgang könnte nach StZ-Informationen aus dem Kreis des Aufsichtsrats noch Monate auf sich warten lassen. „Es gibt ernsthafte Bedenken“, sagte ein Mitglied. Man werde sich Zeit nehmen, die Fragen zu prüfen. Bahnchef Grube war davon ausgegangen, bei einer „Sondersitzung“ in den nächsten Wochen die Mehrausgaben von 1,1 Milliarden Euro und den Weiterbau abgesegnet zu bekommen. Daraus wird nichts. Bisher steht nur die nächste reguläre DB-Aufsichtsratssitzung am 19. März fest.