In der Debatte über den Brandschutz und das Evakuierungskonzept für den Tiefbahnhof haben Grüne und Linke gefordert, das Stresstest-Ergebnis zu Grunde zu legen. Im April will die Bahn ein neues Gutachten präsentieren.

Stuttgart - Die städtischen Planer tun sich weiter schwer mit dem Vorhaben der Bahn, den Höhensprung von etwa einem Meter zwischen dem Bonatzbau und dem Deckel des S-21-Tiefbahnhofs mit einer Treppe abzufangen. Diese sei „nicht zielführend“, sagte die Planerin Carolin zur Brügge am Dienstag im Technischen Ausschuss, denn über die gesamte Gebäudelänge gäbe es keinen behindertengerechten Weg auf den Platz. Eine quer zur Hangkante liegende und eben behindertengerechte Rampe sei nötig.

 

Kritikwürdig erscheint aus Beamtensicht auch, dass bei der sechsten Planänderung des Tiefbahnhofsabschnitts diverse Großbäume eingezeichnet worden seien, die etwa einen ICE um ein Vielfaches überragen. Der für solche Großbäume nötige Erdaufbau sei dagegen auf den Detailplänen nicht zu erkennen, sagte zur Brügge – wohl weil es ihn gar nicht gibt. Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD) meinte jedenfalls etwas desillusioniert, dies habe man der Bahn „schon zehn Mal gesagt, man dringt damit aber nicht durch“.

Nur 2,05 Meter zwischen Bahnsteigkante und Treppenhaus

Auch die acht neu hinzu gekommenen Fluchttreppenhäuser mit je 4,80 Meter Breite sind kontrovers diskutiert worden. Sie sind zwar für das Brandschutzkonzept unabdingbar, produzieren auf den Bahnsteigen aber 16 neue Engpässe. Zwischen Treppenhaus und Bahnsteigkante bleibt nur 2,05 Meter Raum, zwischen Treppenhaus und Sicherheitsstreifen 1,05 Meter. „Das ist der Mindestwert, den man auf einem kleinen Bahnhof in Hintertupfingen verantworten kann, aber nicht in Stuttgart“, sagte Thomas Adler (Linke).

Aus den Fluchttreppenhäusern sollen die Fahrgäste direkt auf den Straßburger Platz gelangen. Dafür sollen sich – begleitet von optischen und akustischen Signalen – Luken öffnen. Bei der Ausgestaltung diskutiert auch die Feuerwehr mit. Schließlich muss gewährleistet sein, dass sich die Schachtdeckel auch bei Eiseskälte und großen Schneeüberdeckungen öffnen lassen und dass diese nicht blockiert werden.

Engelhardt kritisiert die Bahn

In diesem Zusammenhang wies Grünen-Chef Peter Pätzold darauf hin, dass die Bahn noch immer keine Antwort auf die Frage geliefert habe, ob und wie die Fahrgäste im Brandfall rechtzeitig an die Oberfläche und die Feuerwehr an den Brandherd gelangen. Projektkritiker wie Christoph Engelhardt, der im Internet die Plattform Wikireal betreibt, behaupten bekanntlich, dass die Zahl der wartenden und ankommenden Personen, die evakuiert werden müssen, zu niedrig angesetzt sei. Die Bahn setze in ihrem Szenario nur 50 bis 70 Prozent der Reisenden an, die sie in ihrem Betriebsprogramm plane, so Engelhardt. Statt mit 16 000 müsse mit bis zu 26 000 Flüchtenden kalkuliert werden.

Für Pätzold ist selbstverständlich, „dass sich die Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs auf die Entfluchtung auswirkt“. Da die Bahn behaupte, beim Stresstest 49 haltende Züge in der Spitzenstunde nachgewiesen zu haben, dürfe sie sich bei der Bemessung der Fluchtwege nicht mit 32 Zügen bescheiden. Branddirektor Frank Knödler betonte zwar erneut, er sei Bahn-Laie und werde die in der Plangenehmigung genannten Personenzahlen zugrunde legen. Im Ausschuss sagte er aber, das Stresstest-Ergebnis müsse die Grundlage beim Brandschutz sein. Alexander Kotz (CDU) bezeichnete die Debatte als „abstrus“. Über Fluchtwege bräuchten nicht die Fraktionen diskutierten, weil das Eisenbahnbundesamt darüber wache.

Die Bahn will nach Aussagen der Stadt im April ihr Brandschutzgutachten und eine neue Analyse der erwarteten Personenströme im Bahnhof vorlegen. Bei der Präsentation des Gesamtkonzepts könnte dann auch Christoph Engelhardt Rederecht erhalten, über den allerdings der Bahnprojektsprecher Wolfgang Dietrich kürzlich urteilte, mit ihm sei „eine vertrauensvolle Anhörung“ nicht möglich.