Das Grundstücksgeschäft zwischen Stadt und Bahn erscheint im neuen Licht. Gibt es kein Planrecht für den Rückbau, ist der Vertrag fraglich.  

Stuttgart - Die Gegner von Stuttgart 21 sind es gewohnt, darauf hingewiesen zu werden, sie kämen mit ihrer Kritik am Projekt zu spät. Im Fall des fehlenden Planrechts für den Rückbau des Hauptbahnhofs nach Fertigstellung der neuen Tiefstation, das dazu führen könnte, dass nicht die Stadt die frei werdenden Grundstücke übernehmen kann, sondern ein neuer privater Bahnhofbetreiber wie etwa die Stuttgarter Netz AG, trifft das nicht zu: Bereits im Anhörungsverfahren 2003 fiel in der Debatte der Satz: "Es wäre theoretisch sogar denkbar, dass sich ein privater Eisenbahnunternehmer findet, der den Kopfbahnhof trotz Stuttgart 21 für eigene Zwecke weiterbetreiben will. Es ist zwar unwahrscheinlich, aber theoretisch nicht ganz ausgeschlossen."

 

Auch der Nahverkehrsberater Felix Berschin, damals Vorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), wies schon damals darauf hin, dass erst dann an eine Stilllegung von Bahnstrecken gedacht werden könne, falls sich kein Dritter für den Weiterbetrieb interessiere. Diese Hinweise wurden damals nicht ernst genommen.

Position der Befürworter geschwächt

Acht Jahre später muss die Bahn die Existenz dieses "Dritten" zur Kenntnis nehmen. Er fordert nun ein Stilllegungsverfahren, um darin seine Ansprüche auf den Weiterbetrieb der oberirdischen Gleisanlagen artikulieren zu können. Zwar hat die Bahn schon 2003 behauptet, ein solches Verfahren sei nicht nötig, weil der Bahnhof nur nach unten verlegt, aber nicht stillgelegt werde; Projektsprecher Wolfgang Dietrich verstieg sich am Dienstag gegenüber dem Südwestrundfunk (SWR) sogar in der Behauptung, im Saldo gingen gar keine Bahnflächen verloren. Mittlerweile ist die Position der Befürworter aber geschwächt.

Gegenüber der StZ musste die Bahn einräumen, anders als bisher behauptet, keine Genehmigung für den Rückbau des Gleisvorfelds zu haben. Womöglich wird deshalb ein gesondertes Freistellungsverfahren nötig, das aber nur dann mit der aus städtischer Sicht gewünschten Entwidmung der Bahnfläche endet, sofern kein Verkehrsbedürfnis mehr besteht. Die Aussage einer Bahn-Sprecherin gegenüber der Nachrichtenagentur dapd, dies werde wegen des neuen Tiefbahnhofs der Fall sein, hält die private Konkurrenz für voreilig: Der Netz-AG-Aufsichtsratsvorsitzende Alexander Kirfel sagt, dies zu beurteilen obliege allein dem Bewerber.

Kommunales Vermögen über Jahre gebunden

Die Lage ist für die Stadt also rechtsunsicher geworden. Sie wirft Fragen auf, die auch den Gemeinderat interessieren dürften: Durfte die Stadt mit der Bahn überhaupt einen Grundstücksvertrag schließen, dessen Erfüllung nicht garantiert ist? Handelt es sich wegen des ungewissen Ausgangs um ein Spekulationsgeschäft? Ist der Kaufpreis von 424 Millionen Euro angemessen - zumindest in Anbetracht der Tatsache, dass bis zu einer richterlichen Entscheidung zu Lasten der privaten Eisenbahner-Konkurrenz lediglich der Verkehrswert gilt? Der städtische Pressesprecher Markus Vogt wies zwar am Dienstag gegenüber dem SWR darauf hin, die Bahn sei bei Nichterfüllung gezwungen, den Kaufpreis zurückzuerstatten und Verzugszinsen zu bezahlen. Das ändert aber nichts daran, dass dann jahrelang kommunales Vermögen gebunden gewesen und die Stadt der Bahn ein günstiger Kreditgeber gewesen wäre.