Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs reagiert die Bahn prompt: Sie will von Sommer 2019 an Stuttgart 21 rund um den Flughafen bauen. Doch es gibt noch offene Fragen. Wir geben einen Überblick.
Stuttgart - Der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim hat die Baugenehmigung für Stuttgart 21 am Flughafen, den Planfeststellungsbeschluss, am Dienstag für „rechtswidrig und nicht vollziehbar“ erklärt. Geklagt hatten die Stuttgarter Sektion des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) und die Schutzgemeinschaft Filder. Die Deutsche Bahn erklärte gleichwohl, sie begrüße die Entscheidung. Ihre Lesart: „Alle das Eisenbahnvorhaben betreffenden Teile des Planfeststellungsbeschlusses wurden vom Verwaltungsgerichtshof bestätigt.“ Die Bahn bekräftigte ihre Absicht, die Aufträge für den Abschnitt am Flughafen zu vergeben und im Sommer 2019 mit dem Bau zu beginnen.
Worüber wurde in Mannheim verhandelt?
Der Abschnitt rund um den Flughafen hieß in der Zählweise der Bahn ursprünglich 1.3. Im März 2015 wurde der Projektteil in zwei Unterabschnitte aufgeteilt, die fortan die Bezeichnungen 1.3a und 1.3b trugen. Der nun in Mannheim verhandelte 1.3a-Teil umfasst die Schnellfahrstrecke auf der Nordseite der Autobahn 8 sowie den in 27 Meter Tiefe unter der Messepiazza liegenden Fern- und Regionalbahnhof samt seinen Zulaufstrecken. Dagegen regt sich bei Gericht kein Widerspruch. Die Eisenbahnplanung sei aus den mit ihr verfolgten verkehrspolitischen und städtebaulichen Ziele gerechtfertigt, heißt es in einer Mitteilung des VGH. Die Richter monierten aber, dass für das Vorhaben einer Ortsumfahrung von Plieningen im Genehmigungsverfahren Abwägungen nicht im erforderlichen Umfang erfolgt sind. Dies soll nun gesondert nachgeholt werden. Der Umbau der S-Bahn-Station für die Züge Richtung Bodensee und Schweiz über die sogenannte Gäubahn befindet sich in einer frühen Genehmigungsphase und war nicht Gegenstand der Verhandlung in Mannheim.
Was soll rund um den Flughafen gebaut werden?
Die neue Bahnstrecke, die durch den mehr als neun Kilometer langen Fildertunnel von der Innenstadt zum Flughafen führt, kommt im Bereich des Echterdinger Eis wieder ans Tageslicht. Richtung Ulm fahrende Fernzüge bleiben auf der Strecke nördlich der A 8 und unterqueren das dafür bereits vorgesehene Messeparkhaus. Die Anschlussstelle Plieningen muss umgebaut werden und wird von den Zügen auf einem Brückenbauwerk überquert. Auf Höhe des östlichen Endes der Startbahn des Manfred-Rommel-Flughafens beginnt ein weiterer, bereits genehmigter Abschnitt von Stuttgart 21. Dort laufen seit September die Erdarbeiten an der Strecke. Aufwendiger als für die durchfahrenden Züge ist das Vorhaben für jene Bahnen, die einen Stopp am Flughafen einlegen. Sie unterqueren die A 8 sowie Teile der Messehallen in einem Tunnel und erreichen so den Bahnhof für die Messe und den Flughafen. Unterirdisch weiter geht es abermals unter der A 8 hindurch, wo sie wieder auf die Strecke nach Ulm einfädeln. Insgesamt müssen dafür mehr als 4,3 Kilometer Tunnelröhren durch den Filderlehm vorgetrieben werden.
Gibt es Alternativszenarien zur angestrebten Lösung?
Ja. Wenige Abschnitte von Stuttgart 21 haben eine so bewegte Geschichte wie der rund um den Flughafen. Nachdem der Abschnitt im Jahr 2012 immer noch nicht genehmigt war und sich im Land die politischen Mehrheiten verschoben hatten, wurden beim sogenannten Filder-Dialog nochmals verschiedene Trassenvarianten diskutiert. Eine Mehrheit favorisierte dabei den Verzicht auf die Anbindung der Gäubahn an den Flughafen. Stattdessen sollten die Züge über die heutige Panoramastrecke in den Talkessel geleitet werden. Dies lehnten die Projektpartner aber ab. Im Jahr 2015 einigten sie sich auf die ursprünglich nicht vorgesehene Erweiterung der S-Bahn-Station um ein drittes Gleis für die Gäubahnzüge, die außerhalb des S-21-Budgets finanziert wird.
Vor einem Jahr wurden Gedankenspiele der Bahn publik, einen Halt direkt an der Autobahn zu bauen statt des aufwendigen Bahnhofs unter der Messepiazza. Die Projektpartner, allen voran die Region, erteilten diesen Überlegungen eine Absage. Steffen Siegel von der Schutzgemeinschaft Filder fasste seine Eindrücke von der Verhandlung in Mannheim hinsichtlich möglicher Alternativen bei seiner jüngsten Rede auf der Demonstration der S-21-Gegner zusammen: Der Senat entscheide nicht darüber, ob es zu den Plänen bessere Alternativen gebe, so Siegel. Seine Aufgabe sei nicht die Bewertung eines Vorschlags. Seine Aufgabe sei nur zu prüfen, ob der vorliegende Planfeststellungsbeschluss politisch und juristisch korrekt zustande käme und dass er keine offenkundigen Fehler beinhalte.
Ist der Flughafenabschnitt der einzige mit Verzug?
Nein. Im Zuge von S 21 soll in Untertürkheim ein Abstell- und Wartungsbahnhof entstehen. Dafür hat die Bahn noch keine Baugenehmigung. Insbesondere die Frage, was mit den zahlreichen dort lebenden geschützten Eidechsen geschehen soll, ist ungelöst. Zudem gestaltet sich der Tunnelbau im Neckartal komplizierter als angenommen. Derzeit tüfteln die beteiligten Baufirmen an einem Konzept, wie der letzte Tunnelabschnitt Richtung Obertürkheim durch den losen Untergrund des Neckartals gebaut werden kann, ohne dass die darüber liegende Bahnstrecke in Mitleidenschaft gezogen wird. Trotz all dieser Unwägbarkeiten will die Bahn Stuttgart 21 im Jahr 2025 in Betrieb nehmen.