Regierungschef Winfried Kretschmann sagt, das Land habe ein vitales Interesse an einem funktionierenden Bahnknoten. Deswegen wolle die Landesregierung das Bestmögliche aus Stuttgart 21 machen.

Stuttgart - Die von der FDP beantragte aktuelle Debatte des Landtags trug einen vielversprechenden, wenn auch etwas byzantinisch anmutenden Titel: „Impulse der Landesregierung nach der Aufsichtsratssitzung der Deutschen Bahn zur Sicherung der Chancen aus Stuttgart 21 – für Menschen, Umwelt, Verkehr und Stadtentwicklung“. Einfacher gesagt: Wie geht es weiter mit dem Projekt?

 

Ministerpräsident Winfried Kretschmann legte ein eindeutiges Bekenntnis ab: „Stuttgart 21 wird gebaut.“ Das Land habe ein vitales Interesse an einer gut funktionierenden Infrastruktur, weshalb die Landesregierung ihren Teil dazu beitragen werde, das Bestmögliche aus dem Projekt zu machen. Eine Beteiligung an den von der Bahn errechneten Mehrkosten von zwei Milliarden Euro lehnte Kretschmann dagegen ab. Die Klagedrohung der Bahn verwundere ihn, gleichwohl sehe er einer juristischen Auseinandersetzung gelassen entgegen. Die Landesregierung erkenne in der in der Finanzierungsvereinbarung verankerten Sprechklausel keine Verpflichtung zu weiteren Zahlungen.

Eine Ausnahme will der Regierungschef für einen verbesserten Filderbahnhof machen. Das hatte er vor Monaten schon einmal angedeutet, war damals aber von Fraktion und Partei zurückgepfiffen worden.

Von Lippenbekenntnissen und Schlagbohrmaschinen

Der CDU-Fraktionschef Peter Hauk interpretierte Kretschmanns Bekenntnis zum Weiterbau von Stuttgart 21 als eher taktisch motiviert. Schon nach der Volksabstimmung im Herbst 2011 habe Kretschmann zwar die Niederlage eingeräumt, danach hätten die Grünen stets nur auf die Risiken des Projekts hingewiesen, ständig „alles angezweifelt“ und die vertraglich vereinbarte Projektförderpflicht nicht wahrgenommen. Eine kritische Begleitung des Projekts reiche nicht mehr aus, gefragt sei nunmehr eine tatkräftige Förderung. Doch erneut schweige Kretschmannn zu der Frage, wie es nach der Entscheidung des Bahn-Aufsichtsrats weitergehe, er gebe nur Lippenbekenntnisse ab. „Wir erwarten, dass den Worten Taten folgen.“

Der Regierungschef konterte mit dem Hinweis auf Wesen und Funktion des Parlamentarismus: „Ich kann im Parlament nur Lippenbekenntnisse abgeben, ich kann ja schlecht mit der Schlagbohrmaschine hereinkommen.“

Doch die Opposition ließ nicht locker. Der Ministerpräsident lasse Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) „in Guerilla-Taktik gegen das Projekt laufen“, lautete der Vorwurf des FDP-Fraktionschefs Hans-Ulrich Rülke. Kretschmann müsse das verhindern oder den Verkehrsminister aus dem Kabinett werfen. „Wir gehen davon aus, dass Hermann noch am Tag der Einweihung versuchen wird, Stuttgart 21 zu verhindern.“ Die Grünen verfolgten die Strategie, das Projekt zu torpedieren und zu sabotieren, um dann festzustellen: „Das wird ja immer teurer.“

Auf der Suche nach Blockaden

Als Achillesferse von Rülkes Argumentation entpuppte sich jedoch der Umstand, dass er konkrete Verzögerungen durch die Landesregierung nicht nachzuweisen vermochte. In einem unterhaltsamen Schlagabtausch mit den Regierungsfraktionen benannte er den Brandschutz sowie das Grundwassermanagement als Verzögerungsthemen, zog sich aber in Reaktion auf Zwischenfragen auf die Formulierung zurück, dass die Landesregierung in diesen Bereichen verzögern könnte.

Zur Frage von zusätzlichen Finanzierungsbeiträgen des Landes ergab sich seitens der Opposition folgendes Meinungsbild: Die CDU verlangt, dass sich das Land anteilig an den Mehrkosten beteiligt, die sich aus der Schlichtung ergeben sowie aus der Bürgerbeteiligung zum Filderbahnhof. Die FDP geht weiter und fordert, dass auch Mehrkosten verhandelt werden, „wenn sich zeigt, dass einzelne Minister das Projekt blockieren“. Regierungschef Kretschmann hielt dem CDU-Fraktionschef Hauk ein Pressezitat vor, laut dem dieser gesagt habe, für den baden-württembergischen Steuerzahler gebe es bei den Kosten keine Schmerzgrenze.

Wie aber geht es weiter? Die Regierung schwieg sich aus, die Opposition wusste zu der von ihr selbst aufgeworfenen Frage auch nichts beizutragen. Ein CDU-Abgeordneter meinte hinterher: Um Grün-Rot in Bedrängnis zu bringen, „hätten wir eine eigene Agenda vorlegen müssen“.