Die Bahn hat Bäume gefällt. Der erklärte Stuttgart-21-Gegner Gerhard Wick vermutet einen Zusammenhang mit dem Großprojekt und hat eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft eingereicht. Doch diese ist offenbar verschollen.
Filder - Wenn es um Bäume geht, versteht Gerhard Wick keinen Spaß. Darum ist es ihm nicht egal, dass zwischen dem 6. und dem 12. Februar in einem Waldgebiet südlich der A 8 alle Bäume gefällt wurden. Genauer gesagt geht es um ein Areal südöstlich der Gäubahngleise, rund 300 Meter entfernt von dem Berghautunnel in Richtung Böblingen.
Wick hat Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart eingereicht. Gegen Unbekannt wegen des Verdachts auf Verstöße gegen mehrere Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes und wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Bau- und Planungsrecht. Denn der Mann aus Dürrlewang stört sich nicht nur daran, dass Männer mit Motorsägen in dem Waldgebiet Hand angelegt haben. Er vermutet einen Zusammenhang zwischen den Baumfällarbeiten und dem Bahnprojekt Stuttgart 21. Denn bei dem Gebiet handele es sich exakt um das Areal, das die Bahn als Baustelleneinrichtungsfläche für die Rohrer Kurve in ihrem Planfeststellungsantrag angegeben hat. Für diesen Abschnitt liege aber noch keine Genehmigung vor, schreibt Wick in seiner Strafanzeige.
Der S-21-Gegner hat recherchiert. Das Waldstück liegt nicht mehr auf Stuttgarter Gemarkung, zuständig ist die Stadt Leinfelden-Echterdingen. Vom verantwortlichen Revierförster Dieter Lang hat Wick erfahren, dass die Situation brenzlig gewesen war. Diese Aussage wiederholt Lang auch auf Nachfrage unserer Zeitung. Die Bäume seien zu hoch gewesen und der Stromleitung der Bahn zu nahe gekommen. „Es bestand die Gefahr, dass es zu Stromüberschlägen kommt“, sagt Lang und ergänzt: „Im vergangenen Jahr haben schon ein paar Gipfel geschmort.“ Darum wurden im August 2013 bereits vier Bäume gefällt. Für nähere Auskünfte verweist der Förster an die Deutsche Bahn (DB), denn die habe die Baumfällarbeiten in Auftrag gegeben.
Die Bahn bestreitet einen Zusammenhang
Das bestätigt auch Reinhold Willing. Er ist Pressesprecher für das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm. „Die Deutsche Bahn hat die Rodungsmaßnahme ausgeführt. 40 Bäume wurden gefällt.“ Sie seien ins Lichtraumprofil einer Bahnstromleitung gewachsen, sagt Willing in bestem Fachjargon. Um einen Brand zu vermeiden, habe die Bahn gehandelt. „Als Leitungsbetreiber sind wir für die Betriebssicherheit verantwortlich“, sagt der Sprecher.
Die Bahn habe darum die Leitungen unter die Lupe genommen, und zwar per Hubschrauber. Dabei seien Auffälligkeiten festgestellt worden, weshalb man Kontakt zur Verwaltung aufgenommen habe. Bei einem Vor-Ort-Termin mit dem Revierförster seien sich beide Seiten einig gewesen, dass dringend gehandelt werden müsse, so der Bahnsprecher. „Der Revierförster hat uns gebeten, die Baumfällarbeiten auszuführen, weil ihm das notwendige Wissen und die Ausrüstung für solche Baumfällarbeiten an Leitungen fehlt“, sagt der Sprecher des Großprojekts.
Von der Strafanzeige weiß man bei der Bahn offiziell noch nichts. „Aber es ist zu vermuten, dass sie die Bahn treffen soll“, sagt Reinhold Willing. Darum wolle er derzeit keine Detailaussagen treffen. Nur so viel stehe fest: „Es gibt keinen Zusammenhang zwischen den Baumfällarbeiten und Stuttgart 21.“ Es sei reiner Zufall, dass das gerodete Gebiet flächengleich mit der ins Auge gefassten Baustelleneinrichtungsfläche für die Rohrer Kurve sei.
Tat und Begründung passen nicht zusammen
Für Gerhard Wick passen „Tat und Begründung“ nicht zusammen. Denn es seien alle Bäume entfernt worden, unabhängig von der Größe, der Höhe und dem Abstand zu der Stromleitung. Zudem moniert der Naturschützer, dass es in dem Gebiet mehrere streng geschützte Tier- und Pflanzenarten wie beispielsweise die Gelbbauchunke gebe. Auf diese sei keine Rücksicht genommen worden.
Reinhold Willing erwidert, dass die Naturschutzbehörde in die Maßnahme eingebunden worden sei. Aber wegen der möglichen Stromüberschläge sei Gefahr im Verzug gewesen. Gerhard Wick sieht es anders: „Die Bahn hat gegen alle möglichen Naturschutzbestimmungen verstoßen.“ Darum sieht er den Konzern unabhängig von einem Zusammenhang mit dem Projekt Stuttgart 21 in der Schuld.
Mit der Bahn selbst hat Gerhard Wick nicht gesprochen. „Das wäre sinnlos“, sagt der Mann aus Dürrlewang. Stattdessen hat er Unterschriften gesammelt von Menschen, die seine Strafanzeige unterstützen. Die möchte er der Staatsanwaltschaft nachreichen. Dabei kann Wick die Anzeige selbst gleich noch einmal mitschicken. Denn die Staatsanwaltschaft Stuttgart kann den Eingang der Anzeige bislang nicht bestätigen. Wick selbst versichert jedoch, diese verschickt zu haben. Wo das Schreiben abgeblieben ist, ist wohl nicht mehr zu klären.