Im Lager der OB-Kandidaten stehen sich mittlerweile nicht nur Befürworter und Kritiker von Stuttgart 21 gegenüber. Auch innerhalb der Gegner selbst verläuft eine Trennlinie – unter anderem wegen der verschobenen Sitzung des Lenkungskreises.

Stuttgart - Im Lager der OB-Kandidaten stehen sich mittlerweile nicht nur Befürworter und Kritiker von Stuttgart 21 gegenüber. Auch innerhalb der Gegner selbst verläuft mittlerweile eine Trennlinie. Verschärft hat sich der Ton zwischen den Grünen mit ihrem Kandidaten Fritz Kuhn sowie der Gruppierung SÖS um Hannes Rockenbauch nicht zuletzt wegen der auf den Tag nach der möglichen OB-Stichwahl verschobenen Sitzung des S-21-Lenkungskreises am 22. Oktober.

 

Von der Bahn werden einmal mehr Antworten auf die Fragen nach den tatsächlichen Kosten und Verzögerungen im Ablaufplan verlangt. Rockenbauch macht die grün-rote Landesregierung verantwortlich, dass die Sitzung nun doch nicht, wie voreilig vom Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) angekündigt, in der heißen Wahlkampfphase stattfindet. „Von der Bahn sind wir die Salamitaktik gewöhnt“, meint Rockenbauch. Es wundere ihn auch nicht, dass die CDU und die SPD kein Interesse an Transparenz hätten und nichts von Aufklärung hielten. Neu sei aber, „dass nun auch die Landesregierung dabei mitmacht“. Daran erkenne man, dass vor allem die Grünen Angst vor ihm als „echten Stuttgart-21-Gegner“ im OB-Wahlkampf hätten.

Rockenbauch fordert Lenkungskreistreffen vor der Wahl

Rockenbauch forderte die Projektpartner Bahn, Bund, Land, Region und Stadt auf, sich sofort auf einen Besprechungstermin vor dem ersten Wahlgang am 7. Oktober zu einigen. Ähnlich kritisch sind auch die Reaktionen im Internet. Von „grünen Wahlbetrügern“ ist die Rede und davon, dass Fritz Kuhns Freunde in der Landesregierung ihm die Möglichkeit eröffneten, im Wahlkampf „noch ein bisschen auf Robin Hood zu machen“. Dem Verkehrsministerium wird von S-21-Kritikern ohnehin schon lange mangelnder Aufklärungswille in der Frage der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs vorgeworfen.

Kritik am Vorgehen kam am Montag auch von Sebastian Turner. Der Bewerber von CDU, FDP und Freien Wählern hält „die Verschiebung für falsch und durchsichtig. Die Projektpartner sollten alles unternehmen, was den Bahnhofsbau beschleunigen kann. Der Eindruck, die grün-rote Landesregierung jongliert bei ihrem Streitthema Stuttgart 21 mit Terminen wegen der OB-Wahl, gefährdet das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik“.

Der Grünen-Bewerber Kuhn, ein ausgewiesener S-21-Skeptiker, der sich allerdings wegen der Volksabstimmung verpflichtet fühlt, als OB den Bahnhofsbau zu fördern, hält nichts von Verschwörungstheorien. Den Grünen die Vertagung anzulasten, sei Unsinn. „Dank uns stehen doch im Lenkungskreis die kritischen Themen überhaupt erst zur Debatte“, betont auch der Ratsfraktionschef Peter Pätzold.

Schwierige Terminfindung

Der späte Termin am 22. Oktober sei nicht vom Verkehrsministerium veranlasst worden, stellte eine Sprecherin Hermanns am Montag klar. Man habe „einen Termin im September und damit in klarem zeitlichen Abstand zur OB-Wahl bevorzugt“. Ein Treffen vor der Aufsichtsratssitzung der Bahn Mitte September sei dem Konzern nicht möglich gewesen. In den letzten zwei Septemberwochen habe die Bahn keinen Termin akzeptiert. Es blieb nur einer direkt vor der OB-Wahl, „den die übrigen Projektpartner nicht günstig fanden“. Die Bahn habe klargemacht, „dass bis zu diesem Zeitpunkt keine ausreichenden Fakten vorliegen würden, die Beschlussfassungen in wichtigen Fragen zulassen würden“.

Vom früheren Ziel von SÖS und Grünen im Wahlkampf, einen „schwarzen OB“ zu verhindern, haben sich die Gruppen entfernt. Hannes Rockenbauch erklärte in einem Interview mit der „taz“, er glaube, „Kuhn macht die Künast“. Dann erteilte er auch einem „Kuhhandel“ mit den Grünen vor einem etwaigen zweiten Wahlgang eine Absage. Er werde im Falle seines Rückzugs keine Empfehlung aussprechen. Kuhn fand den Vergleich mit der im Kampf ums Berliner Rathaus unterlegenen Parteifreundin Renate Künast „primitiv“. Zudem sei spätestens jetzt den Bürgern klar, dass sie Turner nicht verhindern könnten, indem sie Rockenbauch wählten.Der SÖS-Stadtrat glaubt dagegen allen Grund zu haben, die Grünen zu ärgern. Wie auch die Parkschützer ist er sauer auf ein Grünen-Flugblatt, das sich teils gegen seine Gruppierung richtet und ausgerechnet während einer Montagsdemonstration an Sympathisanten verteilt worden war.

Unter dem Titel „Oben bleiben – kritisch sein“ wehren sich die Grünen gegen den Vorwurf, nichts gegen S 21 zu unternehmen mit dem Hinweis, seit 2010 insgesamt 36 Anträge gestellt zu haben – die Kritiker aus dem SÖS-Lager nur neun. Auch hier fehlt der Hinweis nicht, Kuhn gleich zu wählen, um klar zu stellen, dass sich die S 21-Gegner nicht teilen ließen.