Statt zu tagen und wichtige Entscheidungen zu treffen, verlegt der Lenkungskreis für Stuttgart 21 immer wieder seine Sitzungen – und verstößt dabei gegen die eigene Geschäftsordnung.

Stuttgart - Ursprünglich hätte es vielleicht schon im Dezember stattfinden sollen. Dann wurde es vom vereinbarten Termin im Januar auf Ende Februar verschoben, zwischendurch geriet es offenbar ganz in Vergessenheit, bevor es gleich nach den Pfingstferien nachgeholt werden sollte, dann aber doch wieder nicht – und so steht es bis zum heutigen Tag immer noch aus: das nächste Treffen der Projektpartner im Lenkungskreis, dem angeblich höchsten und wichtigsten Entscheidungsgremium des Bahnprojekts Stuttgart 21.

 

Zuletzt getroffen haben sich die Spitzenmanager der Bahn und die Vertreter von Land, Stadt, Region Stuttgart und Flughafen in dieser Runde am 22. Oktober 2012, also vor nunmehr fast acht Monaten. Das ist angesichts der Vielzahl an offenen Fragen und ausstehenden Entscheidungen einerseits erstaunlich und kaum nachvollziehbar. Gleichzeitig bedeutet die lange Pause andererseits aber auch einen Verstoß gegen die Geschäftsordnung des Lenkungskreises, die Bestandteil des Finanzierungsvertrags ist. Demnach müssen die Mitglieder „mindestens alle sechs Monate zu einer Sitzung zusammentreten“. Außerhalb dieser Sitzungen, „wird der Lenkungskreis auch auf Wunsch von zwei Mitgliedern einberufen“.

Nun wird ein Termin vor der Sommerpause angepeilt

Nun haben zwar sowohl die Stadt als auch das Land bei der Bahn, die als Bauherrin von Stuttgart 21 zum Lenkungskreis einladen muss, immer wieder mal ein Treffen angemahnt. Am entsprechenden Nachdruck hat es aber offenbar gefehlt. Die Stadt dringe auf ein schnellst mögliches Treffen, erklärt Stadtsprecher Andreas Scharf. Es gebe derzeit aber keinen absehbaren Termin. Auch die Landesregierung hält „die Durchführung eines Lenkungskreises für notwendig“ , so die Sprecherin des Verkehrsministeriums, Julia Pieper. Man werde die Bahn daher ausdrücklich und schriftlich auffordern, zeitnah einen Lenkungskreis anzuberaumen. Mündlich sei dies bereits geschehen.

Der Bahn selbst ist ebenfalls an einem Treffen gelegen, wie Projektsprecher Wolfgang Dietrich erklärt. Technikvorstand Volker Kefer suche demnächst persönliche Gespräche mit den Projektpartnern, um mögliche Tagesordnungspunkte zu besprechen. Ein Termin für die mehrfach verschobene Sitzung des Lenkungskreises ist zudem auch schon angedacht. Ziel sei, so Dietrich, sich noch vor der Sommerpause zu treffen. Allerdings sehe die Bahn die Sitzung nach jetzigem Stand eher als Informationsveranstaltung.

Die Entscheidungen werden anderswo getroffen

Tatsächlich wurden die relevanten Entscheidungen zuletzt nicht in dem dafür vorgesehenen Gremium getroffen, sondern in kleinen Zirkeln untereinander besprochen und verkündet. So war etwa beim letzten Lenkungskreistreffen im Oktober festgelegt worden, beim Treffen am 21. Januar über die zu bauende Variante auf den Fildern zu entscheiden. Stattdessen aber hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann auch ohne Treffen aller Projektpartner Mitte April erklärt, dass es vom Land kein Geld für eine andere Variante des Flughafenbahnhofs gebe.

Auch in die drastische Anhebung des Finanzierungsrahmens von Stuttgart 21 ist der Lenkungskreis bisher nicht eingebunden. Diese Entscheidung hatte am 5. März der Bahn-Aufsichtsrat getroffen, indem er dem Antrag des Staatskonzerns zustimmte, veranschlagte Mehrkosten von 1,1 Milliarden Euro selbst zu tragen. Im Finanzierungsvertrag allerdings steht nach wie vor ein Gesamtwertumfang (GWU) von lediglich 4,088 Milliarden Euro. Eine Erhöhung auf geschätzte 5,9 Milliarden Euro müsste aus rechtlicher Sicht nun im Lenkungskreis beschlossen werden. Allerdings war die Bahn schon im März 2012 mit dem Versuch gescheitert, den GWU auf 4,33 Milliarden Euro zu erhöhen. Die Projektpartner hatten sich diesem Ansinnen verweigert, weil es noch Streit über die Folgekosten der Schlichtung gibt. Auch diese Entscheidung, wer wie viel trägt, steht noch aus.

Neue Projektgesellschaft startet im September

Angesichts dieses Vorgehens stellt sich die Frage nach der Zukunft des Gremiums und den Aufgaben der neuen Projektgesellschaft, die im September Steuerung und Planung von S 21 übernimmt. Dazu installiert die Bahn einen Beirat, der „klein und schlagkräftig“ sei – und frei von Projektpartnern. Was das für den Lenkungskreis bedeutet? Die Bahn habe bisher nicht konkret über Struktur und Aufgaben informiert, sagt Ministeriumssprecherin Julia Pieper. „Weitere Schlussfolgerungen lassen sich zum momentanen Zeitpunkt daher nicht ziehen.“