Paul Kirchhof, Ex-Verfassungsrichter, kritisiert die Pläne der Landesregierung für eine Volksabstimmung über Stuttgart 21.

Stuttgart - Im Streit um das Milliardenprojekt Stuttgart 21 hat Verfassungsrechtler Paul Kirchhof eine Rückkehr zur Sachlichkeit verlangt. „Ich kann nur an alle Beteiligten appellieren, wieder zur Diskussion um die Sachfragen zurückzufinden. Erst wenn diese entschieden sind, sollte man prüfen, ob das zu finanzieren ist. Wir erleben aber eine umgekehrte Reihenfolge, bei der der Finanzier die Sachfragen zu beherrschen versucht“, sagte Kirchhof in einem Interview mit den „Stuttgarter Nachrichten“ (Mittwoch). Er sieht darin einen bedenklichen Trend: „Die Verfassung regelt klar, dass das Geld der Sachaufgabe folgt und nicht das Geld die Sachaufgabe bestimmt.“

 

Der baden-württembergische Landtag wird am Mittwoch über das Kündigungsgesetz und damit die Einleitung einer Volksabstimmung entscheiden. Aus Sicht von Kirchhof bewegt sich das Parlament damit in einer rechtlichen Grauzone: „Hier wird das Staatsvolk von Baden-Württemberg zu einer Abstimmung gebeten, für die es gar keine Berechtigung besitzt.“

Herrschaft des Geldes

Das Projekt einer Bahntrassenführung von Bratislava nach Paris über deutsches Gebiet stehe in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes, die Finanzierungsfrage falle allenfalls teilweise in die Kompetenz des Landes Baden-Württemberg. „Ich fürchte, dass hier die Herrschaft des Geldes die Oberhand über die Sachentscheidung gewinnen soll“, sagte Kirchhof.

Zugleich richtete Kirchhof einen unmissverständlichen Appell an Befürworter wie Kritiker des Projekts: „Natürlich ist dieses Bahnprojekt ein zentrales Anliegen in Stuttgart und Umgebung. Aber man sollte nie vergessen, dass es weitaus gewichtigere Probleme bei uns und in aller Welt zu lösen gilt.“