Die Wangener Baustelle für Stuttgart  21 ist zu laut. Abhilfe könnten nächtliche Sprengungen bringen. Doch dafür hat die Bahn keine Genehmigung. Lieber bezahlt sie weitere Hotelübernachtungen für lärmgeplagte Anwohner.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - In Wangen sollte so etwas wie weihnachtliche Ruhe eingekehrt sein. Zumindest die von den Anwohnern monierte Lärmbelastung durch Arbeiten an den Tunnels für Stuttgart 21 hat vorübergehend aufgehört. Das liegt aber nicht daran, dass die Bahn eine grundsätzliche Lösung des Problems gefunden hätte. Vielmehr ruhen über die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel die Arbeiten auch in den beiden Röhren, die den Neckarvorort einmal mit dem neuen Durchgangsbahnhof verbinden sollen. Frühestens am 7. Januar geht es unter Tage weiter – ob dann auch wieder mit jener Lärmentwicklung, die die Anwohner bereits Anfang Oktober auf die Barrikaden getrieben hatte, steht freilich noch nicht fest.

 

Fünfstelliger Betrag für Hotelübernachtungen

Anfang Oktober hatten die Beschwerden überhand genommen. Seitdem fährt die Bahn zweigleisig. Zum einen bemüht sie sich um eine Genehmigung, auch in den Nachtstunden sprengen zu dürfen. Zum anderen bietet sie den betroffenen Anwohnern an, vorübergehend ins Hotel umzuziehen. Mit einem mittleren fünfstelligen Betrag hat der S-21-Bauherr auf diese Weise seit Oktober die heimische Hotellerie unterstützt. Und das Angebot gilt weiter. Vom 7. Januar an, wenn die Arbeiter auf die Baustellen zurückkehren, können die Wangener auf Bahnkosten wieder ins Hotel übersiedeln.

Die Bahn ist überzeugt davon, dass die maximal zwei Sprengungen pro Röhre und Nacht weit weniger störend sind als der derzeit eingesetzte Meißelbagger. Der tut in der Zeit zwischen 22 Uhr am Abend und sechs Uhr in der Früh seine Arbeit. In dieser Spanne ist der Bahn – anders als tagsüber – der Einsatz von Sprengstoff untersagt. So will es eine Verfügung der Landesbergdirektion vom April 2015. Bei der selben Behörde, einer Abteilung des Regierungspräsidiums Freiburg, versuchen die Tunnelbauer seit Mitte Oktober eine Änderung der Bestimmungen zu erwirken – bislang ohne Erfolg.

Jüngst reichte die Bahn Gutachten nach, die zum einen die Frage beleuchten, welche gesundheitliche Gefahren von nächtlichen Sprengungen für jene ausgehen, die in der Nähe der Detonation Schlaf finden wollen. Zum anderen musste nachgewiesen werden, wie stark die Erschütterungen durch die Explosionen an der Erdoberfläche wahrzunehmen sind. Die Tunnels verlaufen in einer Tiefe zwischen gut 30 und gut 50 Metern. Eine Bewertung der Gutachten mag das Freiburger Amt noch nicht abgeben und der Behördensprecher verweist auf den zuständigen Mitarbeiter, der just seinen Weihnachtsurlaub angetreten habe. Das Landesverkehrsministerium ist auch nur bedingt hilfreich. Es sei „im Rahmen einer Moderationsrolle an Gesprächen der für das Sprengstoffrecht zuständigen Behörden mit der Bahn beteiligt“, erklärt eine Sprecherin. „Entscheidungsbefugnisse hat das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur aber nicht“.

Bau der zweiten Röhre unter Wangen steht bevor

Die Wangener werden sich weiterhin mit der Baustelle arrangieren müssen. Das Prozedere in ihrem Untergrund wiederholt sich. Während die Röhre für die Züge in Richtung City Mitte Dezember bereits den Großteil der mit Wohnhäusern bebauten Gebiete Wangens passiert hatte, steht das für die zweite, die stadtauswärtsführende Röhre, im kommenden Jahr noch bevor.