Die Träger diskutieren in einer Sitzung am Freitag über Nachbesserungen von Stuttgart 21. Sie könnten erhebliche Mehrkosten verursachen.

Stuttgart - Nach Abschluss des Stresstests und der Bewertung der Ergebnisse wird eine aktualisierte Kostenrechnung von der Deutschen Bahn AG eingeholt und von der Landesregierung geprüft." Diese Forderung haben die Grünen und die SPD im Koalitionsvertrag verankert. In der Sitzung des Lenkungskreises am Freitag soll die Bahn nun Belege beibringen. Nach einer Sitzung am Mittwoch erklärte der Bahn-Aufsichtsrat, er unterstütze "den Vorstand bei der Umsetzung des Projektes vollumfänglich".

 

Der Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat wenig Hoffnung, dass Kostentransparenz hergestellt wird. In einem Brief an den am Mittwoch anwesenden Bahn-Chef Rüdiger Grube missbilligte er "die zähe und mangelhafte Vorbereitung der Sitzung". Es wird von einem Folgetermin in wenigen Tagen ausgegangen.

Selbst für den Fall, dass die Bahn nicht mit aktuellen Kosten dienen kann, gibt es ausreichend Zahlenmaterial und mehr unangenehme Botschaften, als dem Bahn-Vorstand Volker Kefer lieb sein dürfte. Nicht nur, dass Stuttgarter Juristen den Konzern wegen Betrugsverdachts angezeigt haben, weil ihm eine Überschreitung des Budgets von 4,52 Milliarden Euro lange vor der Finanzierungsvereinbarung im April 2009 bekannt gewesen sein soll. Als Folge des Stresstests und im Zuge des Planungsfortschritts haben sich Mehrkosten von einigen hundert Millionen Euro ergeben. Diese lassen den Risikofonds (434 Millionen von 1,45 Milliarden Euro) fast vollständig schmelzen. Das bringt die Bahn in die Bredouille, weshalb sie einige Punkte als "nicht zum Projekt S21 gehörend" definiert und separat finanziert sehen will.

Kosten basieren auf veralteten Zahlen

Unstrittig ist eine Erhöhung schon seit dem 30.Juli 2010 in Höhe von 78 Millionen Euro. In der damaligen Lenkungskreissitzung sollten diese Mehrkosten abgesegnet und die Erhöhung des Rahmens auf 4,166 Milliarden Euro beschlossen werden, bevor wieder davon Abstand genommen wurde. Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen: zusätzliche Signaltechnik für Regionalzüge und S-Bahnen (Baukosten: 15 Millionen Euro plus Planungskosten von 2,5 Millionen Euro); zusätzliche GSM-R-Funkverbindung zwischen Fahrzeugen und Stellwerk (20 Millionen Euro Baukosten plus 3,4 Millionen Planungskosten); Weichenverbindung nördlich von Feuerbach (2,3 Millionen Euro); zweites Gleis zum Flughafen und zusätzliche Röhre (30 Millionen Bau- und 5,1 Millionen Planungskosten).

Ungemach droht auch beim Grundwassermanagement. Eine der 121 Risiken, die der Ex-Bauleiter Hany Azer beschrieben hatte, bezieht sich auf das Grundwasser. Tatsächlich muss jetzt von einer erhöhten Fördermenge ausgegangen werden. Die Bahn kalkulierte das Risiko auf bis zu 80Millionen Euro, das entspricht einem Drittel des Gesamtaufwands.

Nach StZ-Recherchen gibt es einen weiteren Posten von mindestens 40 Millionen Euro, dessen Eintrittswahrscheinlichkeit schon deshalb sehr hoch ist, weil die Kosten der Baumaßnahme auf veralteten Berechnungen aus dem Jahr 2005 basieren. Es handelt sich um die beiden Stadtbahntunnel in der Heilbronner Straße und bei der Haltestelle Staatsgalerie, die in der Entwurfsplanung auf etwa 160 Millionen Euro brutto taxiert wurden. Die Kreuzungsvereinbarung zeigt auch, dass die Bahn Einsparchancen äußerst optimistisch bewertet: So wird der komplette Anteil der Stuttgarter Straßenbahnen AG am Tunnel in der Heilbronner Straße als "Einsparchance" verbucht, obwohl die Bahn 20 Prozent aus dem S-21-Topf bezahlt.

Kein ausreichender Puffer vorhanden

Damit nicht genug: etwa 70 Millionen Euro Mehrkosten fielen an, wenn die große Wendlinger Kurve (siehe nebenstehender Artikel) gebaut würde. 100Millionen Euro wären nötig, um die Gäubahn, die für das S-Bahn-Notfallkonzept benötigt wird, sinnvoll anzubinden, und zwar an den Cannstatter Fernbahntunnel. Rund 100 Millionen Euro Mehrkosten werden auch für den Filderabschnitt veranschlagt, für den allerdings noch nicht einmal das Planfeststellungsverfahren begonnen hat.

Diese Maßnahmen führen unweigerlich dazu, dass für Unvorhergesehenes während der Bauzeit - laut Projektsteuerer Drees & Sommer fallen 95 Prozent aller Mehrkosten erst ab 2013 an - kein ausreichender Puffer mehr vorhanden ist. Die Bahn hat für diese Probleme einen Ausweg gefunden: Für die Finanzierung von Nachbesserungen müssten die Projektpartner miteinander sprechen und eine Vereinbarung treffen.