Die Bahn beantragt wegen des großen Grundwasserbestands die Erhöhung der Fördermenge - doch das könnte Mehrkosten bedeuten.

Stuttgart - In der Sitzung des Lenkungskreises von Stuttgart 21 am 23. September werden höhere Kosten das zentrale Thema sein. Zusätzliche Ausgaben, unter anderem für das zweite Gleis zum Flughafenbahnhof (rund 30 Millionen Euro) und den Erhalt der Gäubahn (14 Millionen Euro), werden von der grün-roten Landesregierung angesprochen werden.

 

Der Streit mit den Bauherren von der Deutschen Bahn AG ist bereits programmiert, die, wie berichtet, solche Lasten nicht allein tragen und nicht aus dem eigens für Notfälle eingerichteten Risikotopf entnommen haben wollen.

Dies, zumal an anderer Stelle Ungemach droht. Die Bahn hat Ende 2009, als auf Basis der Entwurfsplanung ein Kostenstand von 4,9 Milliarden Euro ermittelt worden war, bekanntlich Einsparungen von 800 Millionen Euro verordnet.

Entnahme hoher Grundwassermenge ist problematisch

Diesen Chancen stehen Risiken gegenüber. 121 mögliche Problemfälle, zusammengestellt von Ex-Projektleiter Hany Azer, summierten sich auf mehr als eine Milliarde Euro. Eines der Risiken lauert in Form enormer Grundwassermengen, die aus den Baugruben gepumpt werden müssen.

Azer befürchtete damals schon Mehrkosten "aufgrund von Veränderungen gegenüber den bisher gültigen Prämissen des Grundwassermanagements". Konkret warnte er vor "Veränderungen der Fördermengen". Quantifiziert hat er das Risiko für das Grundwassermanagement in seinem Schreiben an den Vorstand nicht, die Eintrittswahrscheinlichkeit war mit 49 Prozent beziffert.

Dagegen ist nach StZ-Informationen in einer anderen Bahn-Unterlage die Gefahr von Mehrkosten bei der Grundwasserentnahme auf 80 Millionen Euro beziffert worden - das wären 18 Prozent des offiziell nur noch auf 438 Millionen Euro taxierten Risikobudgets.

Bis zu 6,8 Millionen Kubikmeter Grundwasser müssen abgepumpt werden

Die Einschätzung für das Grundwasser wurde bereits verfasst, bevor die Bahn im April tatsächlich eine drastische Erhöhung der Fördermenge einräumen musste. Der Ernstfall ist eingetreten, die Kostensteigerung Realität. Über die Höhe schweigt sich die Bahn aus.

Nadia El Almi, die stellvertretende Leiterin des Kommunikationsbüros von S21 erklärte, Mehrkosten könnten erst nach der Genehmigung beziffert werden. Über sie würden dann die Projektpartner im Lenkungskreis befinden.

Notwendig wird aufgrund aktueller Ergebnisse des fünften Bohr- und Erkundungsprogramms im Planfeststellungsabschnitt 1.1. (Tiefbahnhof) eine drastische Erhöhung der Förderquote: Nicht drei Millionen, sondern bis zu 6,8 Millionen Kubikmeter Grundwasser müssen aus den Baugruben gepumpt werden; es wird über ein 17 Kilometer langes Röhrensystem befördert, bevor es an anderer Stelle in den Untergrund fließen kann.

Große Masse an Grundwasser vorhanden

Die Erhöhung der Fördermenge im Abschnitt 1.1. wurde beim Eisenbahnbundesamt (Eba) beantragt, die Bearbeitung läuft. Auch für die Tunnel von Feuerbach und Bad Cannstatt (1.5.) sowie von Ober- und Untertürkheim zum Tiefbahnhof will die Bahn eine Genehmigung für eine höhere Grundwasserförderung erhalten.

Das enorme Kostenrisiko erklärt sich durch die hohen spezifischen Kosten pro Kubikmeter - laut Bahn-Unterlagen zwischen 15 und 30 Euro - und die gigantischen Grundwassermengen, die es im Stuttgarter Kessel für Stuttgart 21 abzupumpen gilt: Es sollen mehr als 17 Millionen Kubikmeter sein - damit könnte man mehr als 5.000 Sportschwimmbecken füllen.

Der Abschnitt 1.5. lässt 1,8 Millionen Kubikmeter erwarten (Erhöhung um 0,1 Millionen Kubikmeter beantragt), im Abschnitt 1.6. dürfen 4,3 Millionen Kubikmeter abgepumpt werden (hier werden aber nur noch 3,7 Millionen veranschlagt). Die Gesamtwassermenge für den Fildertunnel (Abschnitt 1.2.) beträgt sogar 5,04 Millionen Kubikmeter. Hierfür wurde aber keine Erhöhung beantragt.

Vegetationsschäden müssen erst ausgeschlossen werden

Das von der Bahn bezifferte Risiko von 80 Millionen Euro entspricht in etwa den Kosten, die für die Grundwasserentnahme im Tiefbahnhofbereich angesetzt sind. Laut Bahn-Unterlagen verteilt sich der Betrag gleichmäßig auf die Herstellung und den Rückbau sowie auf den Betrieb der Anlage.

Für die 1,8 Millionen Kubikmeter im Abschnitt Feuerbach/Cannstatt sind 30 Millionen Euro veranschlagt. Rechnet man diesen Wert auf die übrigen Planabschnitte hoch, ergibt sich ein Gesamtbetrag von rund 250 Millionen Euro fürs Grundwassermanagement.

Wann die Genehmigung für die Erhöhung der Fördermenge erteilt wird, hat das Eba nicht gesagt. Erst müssen die Bedenken des Umweltamts ausgeräumt werden. Die Behörde will Nachweise, was die Vermeidung von Vegetationsschäden und Setzungen angeht. Sie sieht auch Engpässe bei den Wasserleitungen. Weil diese bereits rosten, ist ein Expertenstreit über eine Grundwasserverunreinigung entbrannt.