In einem Fachartikel wird die Leistungsfähigkeit des in Stuttgart geplanten Bahnhofs angezweifelt. Die Pläne seien wirklichkeitsfremd.

Stuttgart - Pünktlich zur ersten Sitzung des Lenkungskreises für das Bahnprojekt Stuttgart–Ulm mit Vertretern der neuen Landesregierung am Montag Vormittag entfacht ein Fachartikel im Fachblatt „Eisenbahn-Revue International“ Aufregung. Er nährt Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Projekts. Die Analyse soll zeigen, dass kein einziger deutscher Bahnhof auch nur annähernd so hohe Kapazitäten hätte, wie sie die Deutsche Bahn für das Milliardenprojekt verspricht. Der Münchner Autor Christoph M. Engelhardt kommt zum Schluss, dass der achtgleisige Tiefbahnhof künftig 6,1 Züge pro Gleis in der Spitzenstunde von sieben bis acht Uhr abfertigen müsste, um den Stresstest zu bestehen, der derzeit von der Bahn vollzogen wird.

 

Engelhardt hält das für wirklichkeitsfremd und verweist auf die leistungsstärksten Durchgangsbahnhöfe Hamburg und Köln, die nur etwas mehr als vier Züge pro Gleis und Stunde schafften – allerdings um den Preis vieler Verspätungen. Die Kopfbahnhöfe Frankfurt, Leipzig und München wickelten 1,9 Züge pro Gleis und Stunde ab, Durchgangsbahnhöfe im Schnitt 2,7. Die Leistungsgrenze des geplanten achtgleisigen Tiefbahnhofs liege bei lediglich 32 Zügen in der Spitzenstunde, rechnet das Fachblatt vor; das wären sechs weniger als heute.

Auch ein Ausbau auf zehn Gleise würde nicht reichen

Auch bei einem Ausbau auf zehn Gleise betrüge die Kapazität nur 40 Züge. Um den Stresstest zu bestehen, mit dessen Ergebnis Anfang Juli gerechnet wird, müsste die Bahn für 49 Züge eine „gute Betriebsqualität“ nachweisen.

Das Magazin „Stern“ wird in seiner Mittwochsausgabe ebenfalls über Engelhardts These berichten, aber auch über Bahn-Notizen, die bewiesen, dass bei einer Auflistung von 121 Risiken durch den Bauleiter Hany Azer nur jene 73 Posten in ein Projektsteuerungsprogramm eingegeben worden seien, die kostenmäßig noch nicht bewertet seien. Der Grund dafür: Es solle „derzeit keine vom Gesamtwertumfang (4,088 Milliarden Euro) abweichende Vorschau aufgezeigt werden“.

Der „Stern“ schließt daraus: „Man sollte das Projekt schönrechnen und Zahlen, die Stuttgart 21 teurer machen könnten, nicht berücksichtigen.“ Angedeutet wird, dass Azer seinen Posten nicht freiwillig und schon gar nicht wegen Bedrohungen geräumt habe.