Am Dienstagnachmittag kommen die Spitzenvertreter der Stuttgart-21-Projektpartner im Lenkungskreis zusammen. Das voraussichtlich wichtigste Thema dabei: die Kostenexplosion.
Stuttgart - Der drastisch gestiegene Kostenrahmen auf bis zu 6,8 Milliarden Euro dürfte das alles bestimmende Thema im Verkehrsministerium sein, wenn dort am Dienstagnachmittag die Spitzenvertreter der Projektpartner von Stuttgart 21 im Lenkungskreis zusammenkommen. Ganz oben auf der Tagesordnung steht dabei die Entscheidung des Bahn-Aufsichtsrats, der nach Prüfung der Faktenlage am 5. März dieses Jahres grünes Licht für den Weiterbau von Stuttgart 21 und die Übernahme eines Teils der Mehrkosten durch die Bahn gegeben hatte.
Grundlage für diese Entscheidung war eine Plausibilitätsbetrachtung, die der Aufsichtsrat selbst im Januar unter anderem bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse-Coopers (PwC) in Auftrag gegeben hatte. Zuvor, am 12. Dezember 2012, war das Kontrollgremium des größten deutschen Staatskonzerns vom Bahnvorstand über die Kostenexplosion informiert worden.
Prüfer sehen Mängel beim Nachtragsmanagement
In dem Bericht, der einzelne Ergebnisse des Sechs-Punkte-Sparprogramms der Bahn analysiert und der Stuttgarter Zeitung vorliegt, weisen die Wirtschaftsprüfer unter anderem darauf hin, „dass die Härtegradlogik nicht den Grundsätzen des Risikomanagements im DB AG-Konzern“ für Großprojekte entspreche. Gemeint ist, dass die im Projekt festgesetzte Risiko- und Chancenbetrachtung nicht den Richtlinien der Bahn folgt. Die Prüfer empfehlen, dass die Risikobetrachtung zwingend überarbeitet werde müsse. Nur so ließen sich Auswirkungen auf den Investitionsrahmen berechnen und die Wahrscheinlichkeit ermitteln, dass diese auch eintreten.
Gravierende Mängel sehen die Prüfer auch beim projektinternen Nachtragsmanagement, also der Berücksichtigung von eventuell anfallenden Mehrkosten bei einzelnen Bauabschnitten. „Die Voraussetzungen für ein möglichst geringes Nachtragsvolumen sind in der Projektorganisation des Großprojektes noch nicht etabliert“, heißt es unter Punkt 24 der Plausibilitätsbetrachtung. Ohne umfassende Maßnahmen rechne das Konsortium mit einem „im Vergleich zum Gesamtwertumfang erheblichen Nachtragsvolumen“.
Auswirkungen auf Kosten und Termine
Auf drei Stunden ist das Treffen im Verkehrsministerium angesetzt worden, was angesichts der Brisanz wohl eher knapp bemessen ist. „Wir wollen ganz genau wissen, wie es zu der Kostenexplosion gekommen ist und wo die Gründe liegen“, so Edgar Neumann, Sprecher des Verkehrsministers Winfried Hermann (Grüne). Genau erklären lassen wollen sich die Projektpartner zudem Aufbau und Arbeitsweise der Projektgesellschaft, die mit dem Ingenieur Manfred Leger seit Ende Juni einen Geschäftsführer hat und im September ihre Arbeit aufnehmen soll. Auch dieses Konstrukt ist von PwC analysiert und in diesem Fall als „plausibel und sachgerecht“ bewertet worden. Die für die Teilprojekte geschaffene Möglichkeit, sich auf Kernfragestellungen zu konzentrieren, berge für die Phase der Projektentwicklung einige Potenziale
Große Risiken sehen die Wirtschaftsprüfer dagegen im Zeitplan, der offiziell eine Inbetriebnahme von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke zum Fahrplanwechsel 2021 vorsieht. In einem Papier an den Aufsichtsrat unterstellt die Bahn bei der Berechnung des neuen Kostenrahmens allerdings Dezember 2022 als Termin. Einen Verzögerungsgrund sehen die Prüfer in der Umverlegung zahlreicher Leitungen in Baufeldern. In den Kostenplanungen seien diese Maßnahmen in nennenswertem Umfang nicht berücksichtigt. Für einen Großteil der Maßnahmen würden zudem keine technischen Lösungen bestehen, woraus ein „hohes Terminrisiko“ resultiere. Es sei nicht auszuschließen, so das Fazit bei der Bewertung der Terminsituation, „dass die Erkenntnisse aus den Workshops und deren Weiterentwicklung möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die bisherigen Kosten und Termine haben können“.