Wollen die Bauarbeiter wirklich mit Ihnen beten? Für viele dürfte ein Besuch im Bordell attraktiver sein.
Jeder muss für sich selber wissen, was er braucht, damit es ihm gut geht. Wenn jemand ins Bordell geht, und ich um meine Meinung gefragt werde, erinnere ich ihn als Seelsorger an die eheliche Treue und an seine Familie. Aber ich weiß auch, ich kann nicht mit meiner frohen Botschaft kommen, wenn die Leute was anderes wollen. Ich kann nicht Gürtel austeilen und die Menschen brauchen Hosenträger. Aber meine Erfahrung lehrt mich, dass es immer Menschen gibt, die das gemeinsame Gebet suchen, weil es auf etwas Transzendentes hinweist und ganz grundlegende Fragen behandelt, die da lauten: wo gehen wir hin, wo kommen wir her. Ich werde auch immer Worte der Ermutigung in verschiedenen Sprachen dabeihaben.

In Stuttgart treffen die Zuwanderer auf ein gut ausgebautes Sozialsystem. Braucht es da noch einen S-21-Diakon?
Stuttgart hat ein sehr gut ausgebautes Sozialsystem, dennoch betreten wir Neuland. Da auch die Filderebene und der Raum Wendlingen-Kirchheim betroffen sein werden, kann mein mobiler Dienst wertvolle Dienste leisten. Wichtig sind mir praktische Hilfen. Vor einigen Wochen standen zwei Spanier vor meinem Esslinger Büro, die schon nach wenigen Wochen ihre Jobs in der Region wieder verloren hatten und im Auto campten. Ich habe ihnen Benzingeld für die Rückfahrt organisiert und zwei neue Reifen, weil bei den alten das Stahlnetz rausschaute. Am Ende habe ich ihnen vorgeschlagen, lieber mit vollständigen Arbeitspapieren wiederzukommen. So etwas kann auch auf der Baustelle passieren, dort wird es Menschen ohne Arbeitspapiere geben, die auffliegen.

Wie sehen für Sie faire Arbeitsbedingungen aus?
Im reichen Stuttgart sollten wir alle ein Interesse daran haben, dass die Menschen für ihre Arbeit fair bezahlt werden. Nach dem Tarifvertrag Bau bewegt sich der Lohn zwischen 11,40 und 13,40 Euro brutto in der Stunde, daran sollte sich auch die Bezahlung der Wanderarbeiter orientieren. Bei Johannes in der Bibel im Kapitel 10 heißt es, ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.

Ganz direkt gefragt, rechnen Sie mit Toten auf der Baustelle?
Das nicht, aber mit Krisenfällen. Bei einer Baustelle dieser Größenordnung reicht eine Unachtsamkeit, um einen schweren Unfall auszulösen. In diesen Fällen muss natürlich sichergestellt sein, dass ich schnell auf die Baustelle komme und den Menschen beistehen kann. Davon profitieren alle, auch der Bauherr Bahn.

Was machen Sie, wenn ein Schwarzarbeiter bei Ihnen Hilfe sucht?
Ihm helfen. Schwarzarbeiter verpetzen ist nicht mein Geschäft. Dann werde ich fragen, woher er kommt, wieso er keine Arbeitserlaubnis hat, wie lange er bleiben will. Ich werde natürlich versuchen, mit Hilfe von Partnern den Status des Bauarbeiters zu legalisieren. Mit Schwarzarbeit ist aus meiner Sicht niemandem geholfen, auch dem Bauunternehmen nicht.

Sind Sie auch Seelsorger der S-21-Gegner?
Ich rede mit jedem Menschen, keine Frage. Ich werde mich aber nicht dazu äußern, ob ich dafür oder dagegen bin, das sehe ich nicht als meine Aufgabe an. Um es in einem Bild auszudrücken: in diesem Konflikt gibt es nur Schwarz-Weiß, kein Lila und kein Gelb, es fehlen die Zwischentöne. Die aber sind mir wichtig, weil ich für die Menschen da sein will.

Haben Sie eigentlich schon einen Baustellenhelm?
Nein, der fehlt noch, aber auf die Baustelle gehe ich ohnehin erst, wenn ich zumindest einige Sätze Rumänisch oder Polnisch mit den Leuten reden kann.