Aufatmen, sorgenvolles Stirnkräuseln, nur mühevoll unterdrückter Zorn: Die angekündigte Verteuerung von Stuttgart 21 hat bei Politikern aus dem Land unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Die Debatte reißt Gräben in der grün-roten Koalition auf.

Stuttgart - Die Bahn geht in ihren Unterlagen zur neuen Kostenberechnung voller Optimismus davon aus, dass die Aufstockung des Finanzierungsrahmens für Stuttgart 21 um 1,1 Milliarden Euro zu einer Befriedung des Projekts beitragen werde: „Damit würde die Motivation aller am Projekt Beteiligter gestärkt.“

 

Diese Erwartung wurde am Mittwoch in der landespolitische Szene allenfalls eingeschränkt erfüllt. Die Reaktionen changierten zwischen Aufatmen, sorgenvollem Stirnkräuseln und nur mühevoll unterdrücktem Zorn. Zur Gruppe der Zufriedenen zählte der CDU-Fraktionschef im Landtag, Peter Hauk. Die Bahn habe ein schlüssiges Konzept vorgelegt, sagte der Projektbefürworter. Mehr noch: „Der gordische Knoten ist zerschlagen.“ Auch FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke zeigte sich erleichtert, „dass die Bahn bereit ist, die Mehrkosten zu übernehmen“. Über die Verteilung zusätzlicher Kosten, die nicht von der Bahn verursacht seien, müsse aber noch verhandelt werden. Finanzminister Nils Schmid (SPD) jubelte, die klare Position der Landesregierung in Sachen Kostendeckel habe sich ausgezahlt: „Die Bahn zeigt Einsicht und übernimmt die Mehrausgaben, für die sie verantwortlich ist.“

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) jedoch, die Gruppe der Bekümmerten anführend, brachte den Zahlen der Bahn kein rechtes Vertrauen entgegen. Es sei doch selbstverständlich, dass die Bahn für ihre Planungsfehler selbst einstehe, ließ er verlauten – und fügte mit sorgenvollem Unterton hinzu, die Landesregierung könne die „Validität der Mehrkosten in Höhe von 1,1 Milliarden Euro und die von der Bahn nun konkretisierten Projektrisiken nicht beurteilen“. Klar sei, dass sich das Land an Ausgaben über den bisherigen Kostendeckel von 4,5 Milliarden Euro hinaus nicht beteilige.

Verkehrsminister fühlt sich bestätigt

Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) wiederum fühlte sich in seinen schlimmen Befürchtungen bestätigt: Er habe schon immer auf Kostenrisiken hingewiesen, die die Bahn regelmäßig in Abrede gestellt habe. Jetzt vollziehe der Konzern den Schwenk. Er geht davon aus, dass die Bahn in der Kostenfrage keine Ruhe geben wird. Hermann gehörte am Mittwoch zu den Zornigen.

1,1 Milliarden Euro will der Bahn-Vorstand zuschießen und damit nach eigenem Bekunden den alten Risikopuffer von 930 Millionen Euro wieder auffüllen. Das ist das eine. Das andere sind 1,2 Milliarden Euro für zusätzliche Risiken. An dieser Stelle flammt der Konflikt in der grün-roten Koalition wieder auf. Verkehrsminister Hermann addiert die beiden Beträge und kommt auf einen Kostenanstieg in Höhe von insgesamt 2,3 Milliarden Euro.

Die SPD, aber auch CDU und FDP sehen das anders. Von den 1,2 Milliarden Eure entfallen laut SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel 400 Millionen Euro auf Mehrausgaben für zu langsames Planen. Dafür sei das Eisenbahnbundesamt verantwortlich, also müsse der Bund bezahlen. 300 Millionen Euro seien für einen besseren Filderbahnhof aufzubringen. Und es gehe um 500 Millionen Baurisiken, die aus dem Puffer von 930 Millionen Euro bedient werden könnten. Schmiedel sieht den Zusatzbetrag von 1,2 Milliarden Euro gut aufgeräumt, zumal 200 Millionen Einsparungen möglich seien.

Für Planungsfehler einstehen

Stuttgarts OB Wolfgang Schuster (CDU) sagte, es sei konsequent, dass die Bahn den Finanzierungsrahmen aus eigener Tasche aufstocke. Damit stehe sie für eigene Planungsfehler ein. „Es gibt eine Finanzierungsvereinbarung, in der ein Risikopuffer enthalten ist. Die Bahn hat erklärt, dass hiermit sämtliche finanziellen Risiken während der Bauzeit abgedeckt und finanziert sind. Insoweit stellt sich die Frage nach einer Beteiligung der Stadt an Mehrkosten nicht“, so der OB.

Auch der Regionalpräsident Thomas Bopp (CDU) erklärte, er halte es für richtig, dass die Bahn Mehrkosten im Umfang von 1,1 Milliarden selbst tragen wolle. Etwaige Mehrkosten für Sonderwünsche wie einen besseren Filderbahnhof müssten sich Bahn und Projektpartner teilen, so Bopp.