Der Mitschöpfer des Bahnhofs, Frei Otto, fordert, über alte Ideen neu nachzudenken, wegen ungelöster Sicherheitsfragen.

Stuttgart - Einer der beiden Gestalter des Tiefbahnhofs für Stuttgart 21 rät zu einem Neubeginn der Planung. Der 85-jährige Frei Otto, der vor mehr als 13 Jahren gemeinsam mit dem Düsseldorfer Architekten Christoph Ingenhoven die charakteristischen "Lichtaugen" und die Form des neuen Stuttgarter Bahnhofs entworfen hat, sieht derzeit vor allem unkalkulierbare technische Risiken nicht ausreichend berücksichtigt.

Vor allem hat der Architekt und Ingenieur Sicherheitsbedenken und bemängelt, dass sich die aktuelle Kritik in erster Linie an den Kosten orientiert: "Wenn wir damals beim Entwurf den heutigen Informationsstand gehabt hätten, wäre ich bestimmt von der Idee eines Tiefbahnhofs abgerückt." Denn einen zwingenden Grund, weshalb man den Stuttgarter Hauptbahnhof unter die Erde legen müsste, sieht er nicht.

Stattdessen tüftelt Frei Otte heute an der Idee eines Hochbahnhofs, um das Nesenbachtal zu queren. "Eine neue Planung könnte rasend schnell gehen, denn es sind ja mittlerweile sehr viel mehr Informationen da, als beim Architektenwettbewerb im Jahr 1997." Die aktuell hart umkämpften Seitenflügel waren hingegen überhaupt kein Thema für den Architekturwettbewerb gewesen.

Geologische Gegebenheiten beeinflussen Arbeit


"Der Sinn der Flügelbauten, die für einen Bahnhof mit Dampflokomotiven wegen deren Ruß- und Rauchentwicklung absolut notwendig sind, hat niemanden weiter beschäftigt. Bonatz' große Geste nach Osten hat kaum jemand empfunden", erklärt Otto. Was ihn deutlich stärker zum Umdenken bewegt hat, sind die Summe der geologischer Widrigkeiten und auch Erkenntnisse und neue, schlimme Erfahrungen über das Verhalten von Menschenmassen in Tunnels.

"Das Hauptproblem bis heute bleibt: wir sitzen mit dem Tiefbahnhof im Grundwasser, und das steigt nach oben. Die 400 Meter lange und 100 Meter breite Betonwanne, in der der Tiefbahnhof sitzt, muss also festgehalten werden, damit sie nicht aufschwimmt. Wie aber kann sie sicher verankert werden?", fragt sich der Emeritus der Universität Stuttgart und Gründer des Instituts für leichte Flächentragwerke angesichts des lehmigen Baugrunds am Schlossgarten.

Frei Otto hat aber auch auf einer anderen Ebene Probleme mit seiner Schöpfung: "Jeder Entwurf hat seine Zeit. Wenn er zu lange nicht realisiert wird, dann hat sich die Planung überholt und wird zerredet. Großen Projekten, die kein Fertigstellungsdatum haben, fehlt die psychologische Stütze", sagt Otto, der mit dem Entwurf für das Münchner Olympiadach in Zusammenarbeit mit seinem Stuttgarter Kollegen Günter Behnisch 1972 Weltruhm erlangt hat.