Die Tage der offenen Baustelle bei Stuttgart 21 am Hauptbahnhof haben am ersten Tage einige Tausend Interessierte angelockt, denen am Tunnelportal in der Jägerstraße Maschinen gezeigt wurden. Aber auch S-21-Kritiker waren da.

Stuttgart - Das Projekt Stuttgart 21 ist zwar in der Stadt allgegenwärtig – von Lärm und Erschütterungen geplagte Anwohner, von immer wieder neuen Wegeführungen überraschte Passanten und von Verkehrsbehinderungen genervte Autofahrer können ein Lied davon singen. Die riesige Baustelle mitten in der Stadt mit ihren Ablegern in diversen Bezirken ist also präsent – und doch hinter Absperrgittern und Transparenten allzu neugierigen Blicken entzogen. In diesen Tagen ist das – zumindest teilweise – anders: Seit Montag, 4. Januar, und noch bis Mittwoch, 6. Januar, kann die Öffentlichkeit kostenlos einen anderen, neuen Blick auf das Areal werfen, das im Herzen der Stadt umgegraben wird für den Tiefbahnhof und seine Tunnels. Von 10 bis 16 Uhr ist der Zutritt zur Baustelle möglich.

 

Und zumindest zum Wettergott scheint der Verein Bahnprojekt Stuttgart-Ulm, der für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, beste Kontakte zu haben. Bei Sonnenschein und milden Temperaturen besuchten bereits am Montagvormittag mehrere Hundert Interessierte die Baustelle- Knapp 5000 seien es insgesamt am ersten Tag gewesen, sagt David Bösinger, der Sprecher des Vereins. „Wir wollen uns direkt vor Ort einen Eindruck verschaffen“, erklärt eine Männergruppe, die beeindruckt ist von der Größe der Baustelle. „Das ist gigantisch“, sagt auch ein junger Mann, bei dem der schiere Umfang der Arbeiten aber eine gehörige Portion Skepsis auslöst – Stichwörter: Kosten und Zeitplan. Auch ein Vater will „näher dran“ sein an dem, was er als Pendler im Hauptbahnhof nur aus einiger Entfernung und in Ausschnitten sieht, auch wenn er mit Blick auf seine Kinder nicht verhehlt: „Die Jungs interessieren sich für Bagger und Baustellen – das ist ein gutes Betreuungsprogramm.“

Blick in den Tunnel an der Jägerstraße

Einen Blick in den Tunnel kann man am sogenannten Nordkopf an der Jägerstraße werfen, wo die Gleise des Tiefbahnhofs im Kriegsberg verschwinden. Hier sind einige große Baumaschinen aufgebaut, Experten beantworten – wie an anderen Punkten – Fragen. Auf der sonst für die Öffentlichkeit gesperrten Baustraße kommen die Besucher unter der Heilbronner Straße und an der Landesbank vorbei zum Hauptbahnhof, dem man quasi im Trog unter den bestehenden Fußgängerstegen zu den Bahnsteigen unterquert. Ein Weg, der einerseits – wie an anderen Stellen – ganz neue Perspektiven eröffnet, der andererseits aber auch die umfangreichen Stützmaßnahmen verdeutlicht, die nötig sind, um den Trog, in dem später der Tiefbahnhof entsteht, mitten in der Stadt ausgraben zu können.

Das gilt ebenfalls beim Blick auf die Baugrube südlich des Bahnhofs. Dort ist auch die neun Meter hohe Musterkelchstütze zu sehen, die zur Prüfung durch den Bahnhofsarchitekten Christoph Ingenhoven erstellt wurde. 28 solcher abenteuerlich geschwungener Betonteile, die zwölf Meter hoch sein werden, sollen das Dach mit den Lichtaugen tragen. Besichtigt werden kann auch das zentrale Gebäude des Grundwassermanagements, in dem das in den Baugruben anfallende Wasser gereinigt wird. Direkt daneben wird über die archäologischen Funde informiert. In der Bahnhofshalle können sich Besucher virtuell im künftigen Tiefbahnhof bewegen. Rund 90 000 Euro lässt sich der Verein die Tage kosten.

Auch die S-21-Kritiker sind auf der Baustelle

Unterwegs waren am Montag auf der Baustelle auch etliche S-21-Kritiker, die die „oberflächliche Betrachtung und Darstellung “ bemängelten, die Probleme des Projekts verschweige. „Die Bahn ist offenbar der Meinung, dass man mit dem Trip durch die Baustelle eine heile Welt zeigen kann“, sagt der Rechtsanwalt Eisenhart von Loeper vom Aktionsbündnis gegen S 21 gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Am Abend standen auf der 304. Montagsdemonstration auf dem Schlossplatz die Auswirkungen der Baustelle auf die Stadtbahn in der Kritik, die ihre Linien zwischen Staatsgalerie und Charlottenplatz oder Hauptbahnhof fast vier Jahre lang umleiten muss. Dazu verteilen die S-21-Gegner in den nächsten Tagen 15 000 Flyer, in denen sie – unter Angabe der geschäftlichen Telefonnummer und E-Mail-Adresse – zum Protest bei SSB-Aufsichtsratschef OB Fritz Kuhn und den dem Gremium angehörenden Stadträten aufrufen.