Der Umbau des Stuttgarter Bahnknotens könnte bis zu 7,6 Milliarden Euro kosten und erst 2024 fertig werden. Diese Zahlen stehen in einer Vorlage für den Aufsichtsrat der Deutschen Bahn.
Stuttgart - Stuttgart 21 droht nochmals mehr als eine Milliarde Euro teurer zu werden als bisher angenommen. Zudem könnte das Projekt erst im Jahr 2024 in Betrieb gehen, drei Jahre später als bislang anvisiert. Das verlautet aus Kreisen des Aufsichtsrats der Deutschen Bahn. Entsprechende Unterlagen hat die Bahn nun an die Konzernaufseher verschickt, die am 13. Dezember bei ihrer Sitzung über den Umbau des Stuttgarter Bahnknotens beraten sollen. Bislang lag der Finanzierungsrahmen bei 6,5 Milliarden Euro. Im Dezember 2021 sollten erste Züge durch den Tiefbahnhof und das fast 60 Kilometer lange Tunnelgewirr von Stuttgart 21 fahren. Diese neuerliche Kostensteigerung sowie das Eingestehen eines nicht einhaltbaren Terminplans dürfte die Diskussion über das Milliardenvorhaben erneut aufflammen lassen. Derzeit sind knapp 60 Prozent der Tunnelstrecken unter Stuttgart und auf den Fildern vorgetrieben.
Gesamtwertumfang steigt auf 7,6 Milliarden Euro
Der Aufsichtsrat der Bahn wird bei der Sitzung Mitte Dezember über die aktualisierten Kosten von nun 7,6 Milliarden Euro beraten. Bislang steht dieser Wert bei rund 5,98 Milliarden Euro, der zusammen mit einem Risikopuffer in Höhe von 539 Millionen Euro den Finanzierungsrahmen von 6,5 Milliarden Euro ergibt. Finanziert durch Beiträge der Projektpartner in Land, Stadt und Region sowie durch den Bund und die EU rund 4,5 Milliarden Euro. Um das Verjähren eventueller Ansprüche zu vermeiden, hatte die Bahn im Dezember vergangenen Jahres die Projektpartner auf eine finanzielle Beteiligung an den Mehrkosten verklagt.
Zuletzt hatte der Aufsichtsrat der Bahn im Herbst 2016 die intern erhobenen Zahlen von externen Gutachtern überprüfen lassen. Die kamen damals zur Überzeugung, dass die Schlussrechnung für Stuttgart 21 zwischen 6,3 und 6,7 Milliarden liegen könnte. Nun hat die Bahn das Projekt im Hinblick auf Zeit- und Kostenpläne abermals von Experten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft pwc sowie des Ingenieurbüros Emch+Berger durchleuchten lassen – mit ernüchterndem Ergebnis.
Bahn macht steigende Baupreise geltend
Bei der Kostenentwicklung verweist die Bahn auf die zuletzt stark anziehenden Baupreise. Bereits nach dem jüngsten Lenkungskreis hatte Bahninfrastrukturvorstand Ronald Pofalla von einer Ausschreibung berichtet, die im Sommer Angebote des Baugewerbes brachte, „die exorbitant von unseren Ansätzen abwichen“. Zudem heißt es bei der Bahn, der Markt sei satt, die Zahl der abgegebenen Angebote gehe signifikant zurück. Aber auch bei bereits vergebenen Aufträgen muss die Bahn nochmals draufsatteln. Denn an einigen Stellen muss die zunächst geplante Bauweise geändert werden. In einigen durch Anhydrit führenden Tunnel, eine Gesteinsformation die bei Berührung mit Wasser zu quellen beginnt, etwa hat der Sachverständige den Einbau von deutlich mehr Bewehrungsstahl empfohlen als angenommen. Das verteuert den Bau und verschleppt ihn überdies.
Weitere Verzögerungen zeichnen sich vor allem am Bahnhofstrog ab. Dort hat die Bahn bis heute keine Genehmigung, die geänderten Pläne für die Fluchtwege umsetzen. Davon ist aber der aufwendige Bau der sogenannten Kelchstützen abhängig, die einmal das Dach der Bahnsteighalle bilden sollen. Die Bahn betreibt das entsprechende Änderungsverfahren seit Mai 2016. Allein für den Umbau des Bahnknotens lässt die Bahn aktuell an 13 Stellen die ursprünglichen Pläne ändern. Dies bedarf jeweils der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde Eisenbahn-Bundesamt.
Artenschutz und Genehmigungen bereiten Probleme
Auch die Probleme mit dem Artenschutz bekommt die Bahn nicht in den Griff. Weiterhin ungeklärt ist, wohin die mehreren tausend streng geschützten Eidechsen hin umziehen sollen, die auf jenem Areal in Untertürkheim vermutet werden, auf dem einmal ein neuer Abstell- und Wartungsbahnhof entstehen soll. Zudem ist die Bahn beim Bau der Tunnel nach Bad Cannstatt von einer Ausnahmegenehmigung der EU-Kommission abhängig. Das Brüssler Spitzengremium muss das Fällen von sechs Bäumen nahe Schloss Rosenstein genehmigen, wo die Röhren aus der Innenstadt wieder ins Freie kommen.
Im Juni 2016 hatte der damalige Infrastrukturvorstand Volker Kefer schon vor einer deutlich späteren Fertigstellung des Projekts gewarnt. Um den Inbetriebnahmetermin 2021 einhalten zu können, müssten bis zu zwei Jahre Verzug aufgeholt werden müssen. Dies ist nicht nur nicht gelungen, stattdessen haben sich weitere Verzögerungen eingestellt.