Die Bahn reißt den alten Fußgängersteg ab, um Platz für ihre neue Stahlbrücke zu schaffen. Der Abriss soll Anfang Juni beginnen.

Stuttgart - Das Bahnprojekt Stuttgart 21 spielt sich in der Landeshauptstadt vor allem im Untergrund ab. Allein 60 Kilometer eingleisige Tunnelröhren werden dafür gegraben. „Die neue Brücke über den Neckar wird eines der wenigen Bauteile sein, die man später sieht. Sie wird das Stadtbild prägen“, sagte der bei der Bahn für den Bauabschnitt zuständige Leiter, Christoph Lienhart, am Dienstag bei der Vorstellung des Terminplans.

 

Damit die neue, dann fünfte Eisenbahnbrücke zwischen Bad Cannstatt und dem Rosensteinpark gebaut werden kann, muss erst der alte Holzsteg für die Fußgänger über dem Fluss weichen. Dessen Abriss werde Anfang Juni beginnen, ein 60 Meter hoher Raupenkran die beiden großen Holzsegmente über dem Fluss von den Stützen heben, erläuterten die Planer. Wer als Fußgänger über den Fluss wechseln will, muss künftig die König-Karls- oder die Rosensteinbrücke beim Wilhelma-Theater nutzen. Dort hat die Stadt auch eine Stahltreppe zum Wechsel über die Neckartalstraße aufgebaut. Bei den Projektgegnern in Bad Cannstatt sorgt das für Ärger. Sie fordern den Bezirksbeirat in einem offenen Brief zum Widerstand auf. Die Anwohner der Schönestraße, die nahe zur Brückenbaustelle liegt, müssten zudem mit Lärm und Dreck rechnen.

Wettbewerb bereits 1998

Die Form der neuen Brücke aus Stahl wurde bereits 1998 in einem Wettbewerb gefunden, den das Stuttgarter Ingenieurbüro Schlaich, Bergermann und Partner für sich entschieden hat. Schlaich knüpft an drei große Stützen, die bis zu 14 Meter tief gründen, Stahlsegel. Das Material wird zehn, an der Spitze der Stützen bis zu 24 Zentimeter dick sein. Den Auftrag für das 345 Meter lange und 24 Meter breite Bauwerk hat die Firma Max Bögl aus Bayern erhalten. Sie liefert bis zu 20 Meter lange Segmente. In einer provisorischen Halle werden sie verschweißt und, vierfach gestrichen, im Taktschiebeverfahren über den Neckar in Richtung Bad Cannstatt gerückt. Das soll von 2017 bis Ende 2018 erledigt werden. Danach wird die Fahrbahnplatte für die zwei Fern- und zwei S-Bahn-Gleise gegossen. Ende 2019 soll die Brücke im Rohbau fertig sein.

Neuer Fuß- und Radweg hängt unter Bahnbrücke

Zur neuen Neckarquerung gehört auch ein 4,50 Meter breiter Fuß- und Radweg, der unter der von der Bahn genutzten Etage hängt und die alte Holzkonstruktion ersetzt. Weil die neue Brücke neckarabwärts zur alten steht, rückt sie in Bad Cannstatt näher an die Wohnbebauung heran. Eine drei Meter hohe Schallschutzwand auf der Brücke soll den Lärm des Bahnbetriebs abhalten. Architektonisch und ingenieurtechnisch habe das Büro mit dem Auftrag die Aufgabe übernommen, „mit einem innovativen Bauwerk einen Meilenstein zu setzen“, sagte Andreas Keil, Partner bei Schlaich/Bergermann. Das Büro ist weltweit mit der Konstruktion von Hochhäusern, Stadien, Fassadenberechnungen und Solarprojekten beschäftigt. Die Brücke über den Neckar, die in dezentem Grau gestrichen werden wird, solle sich nicht in den Vordergrund spielen, sondern zurückhaltend sein, sagte Keil. Dennoch sei sie ein einmaliges Bauwerk, ja ein Meilenstein, weil die erste Stahlsegelbrücke überhaupt. Die Konstruktion mit den besonders dicken Blechen aus hochfesten Stählen habe das Eisenbahn-Bundesamt gesondert genehmigt.

Bleibt die alte Bahn-Bogenbrücke aus dem Jahren 1946 bis 1949 nach dem Neubau womöglich als Fußgängerbrücke erhalten? Die kurz aufgeflammte Debatte im Gemeinderat ist nicht abgeschlossen. Keil will sich auf keine Seite schlagen. Die Bahn wird ihre Pläne für die neue Neckarbrücke am Montag, 11. April, um 19 Uhr im Kursaal in Bad Cannstatt vorstellen.