Die Bahn und der Stuttgarter Haus- und Grundbesitzerverein haben einen Mustervertrag vorgelegt. In dem Entwurf wird das Prozedere für jene Eigentümer geregelt, deren Stücke bei Stuttgart 21 vom Tunnelbau betroffen sind.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Vertreter der Deutschen Bahn und der Immobilieneigentümervertretung Haus &  Grund haben am Dienstag in Stuttgart einen Mustervertrag vorgestellt. Der Entwurf regelt das Prozedere für jene Grundbesitzer, unter deren Flächen die Bahn Tunnel für Stuttgart 21 baut. Zugleich sucht die Bahn noch einen Grundstücksbesitzer, der mit ihr einen Musterprozess zu dem sogenannten Gestattungsvertrag führt. „Dazu sind wir weiterhin bereit“, bekräftigt Peter Sturm, Geschäftsführer der Projektgesellschaft der Bahn. Er ist sich sicher: „Wir legen einen guten Vertrag vor, der uns hilft, Vertrauen bei den Grundstückseigentümern zu gewinnen.“ Ulrich Wecker, der Geschäftsführer von Haus & Grund, lobt denn auch die verständlichen Formulierungen des Vertragswerkes. Für Klaus Lang, Vorsitzender des Eigentümervereins, steht die „sachlich fundierte Information unserer Mitglieder“ im Vordergrund, auch um der „gezielten Desinformation von Stuttgart-21-Gegnern“ entgegenwirken zu können.

 

Beide Seiten haben Kompromisse gemacht

Der Vertrag ist das Ergebnis langer Verhandlungen. „Wir haben miteinander gerungen“, beschreibt Wecker die Gesprächsatmosphäre. Beide Seiten hätten Zugeständnisse gemacht. So konnte sich Haus & Grund nicht mit der Forderung durchsetzen, den Verkehrswert der Liegenschaften als Grundlage zur Berechnung der Entschädigung heranzuziehen. Stattdessen nimmt die Bahn den Bodenrichtwert als Maßstab. Auch wird nur der durch den Bau tatsächlich beanspruchte Teil des Grundstücks in die Berechnung miteinbezogen, statt – wie von Haus & Grund gefordert – die Gesamtfläche der Parzelle.

Neues Bewertungsverfahren

Die Bahn ihrerseits zahlt jenen Eigentümern, mit denen sie sich einig wird, sofort die gesamte Summe der Entschädigung aus. Ursprünglich wollte das Unternehmen zunächst nur 80 Prozent begleichen und den Rest zu einem späteren Zeitpunkt. Außerdem räumt die Bahn die Möglichkeit ein, dass Eigentümer zwar die gebotene Entschädigung annehmen, aber trotzdem noch binnen einer Fünfjahresfrist deren Höhe überprüfen zu lassen. Sollte in diesem Verfahren eine höhere Summer ermittelt werden, zahlt die Bahn nach. Verschlechterungen für die Hausbesitzer können sich im Nachhinein hingegen nicht ergeben. Mit welchen Summen die Bahn insgesamt für die Entschädigungen kalkuliert, wollte Peter Sturm nicht sagen.

Die Höhe der Entschädigungssumme wird nach einem eigens für die Stuttgarter Verhältnisse entwickelten Verfahren berechnet. Als Grundlage diente das sogenannte Münchner Verfahren, das so heißt, weil es beim U-Bahnbau in der bayerischen Landeshauptstadt angewendet wurde. Allein die seit damals vergangene Zeit machte eine Weiterentwicklung notwendig, „aber auch die topografischen und geologischen Besonderheiten des Stuttgarter Talkessels“, wie Ulrich Wecker betont. Das neue Verfahren ist von Martin Ingold vom Freiburger DIA Institut entwickelt worden. Dabei werden auch Grundstücke bewertet, die in großen Tiefen von bis zu 100 Meter unterfahren werden.

Bahn muss Beweis antreten

Haus & Grund ist mit dem Ergebnis zufrieden

Bewegt hat sich die Bahn in Fragen eventueller Schäden, die beim Tunnelbau entstehen können. Peter Sturm spricht von einer „halben Beweislastumkehr“. Demnach muss die Bahn beweisen, dass ein an einer Immobilie entstandener Schaden nicht von ihrer Tunnelbaustelle herrührt. Dabei beteuert das Unternehmen, mit offenen Karten zu spielen. „Wir geben unsere Beweismittel an den betroffenen Eigentümer heraus“, sagt Sturm. Ein Vorgehen, das von Ulrich Wecker ausdrücklich gelobt wird. „Die Bahn gleicht das Informationsgefälle aus, dass zuungunsten des Eigentümers besteht und stellt Waffengleichheit her“.

Für Stuttgart 21 baut die Bahn allein im Stadtgebiet rund 59 Kilometer Tunnelröhren. Zum Ende des vergangenen Jahres hatte sie gut 800 Abschlüsse mit davon betroffenen Grundstückseigentümern erreicht. Insgesamt benötigt das Unternehmen 3000 Verträge in Stuttgart. Die sollen bis zum Jahr 2017 abgeschlossen sein. Für den derzeitigen Stand der Arbeiten an den Tunnelstrecken zum Durchgangsbahnhof benötigt die Bahn nach Sturms Angaben 400 Grundstücke.