Der Münchner Physiker und Analyst Christoph Engelhardt hat die Leistungsfähigkeit des neuen Tiefbahnhofs anhand sämtlicher Gutachten der vergangenen Jahre erneut untersucht. Er wirft der Bahn bei Stuttgart 21 einen Rückbau vor.

Stuttgart - Der Münchner Physiker und Analyst Christoph Engelhardt von der Wissenschaftlergruppe Wikireal hat die Leistungsfähigkeit des Stuttgarter Tiefbahnhofs anhand sämtlicher erstellter Gutachten der vergangenen Jahre erneut untersucht. Zentrales Ergebnis der wissenschaftlichen Überprüfung ist laut Engelhardt, dass „Stuttgart 21 von Anfang an auf lediglich 32 Züge in der Spitzenstunde ausgelegt worden ist“. Man müsse kein Bahnexperte sein, um diese Aussage nachvollziehen zu können. „Es reicht, wenn man die Grundrechenarten beherrscht.“

 

Studie für gerichtliche Auseinandersetzung erstellt

Erstellt hat Engelhardt die Studie für einen Eilantrag vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim, in dem ein Anwohner gegen den Abriss seines Hauses klagt und das Projekt wegen der fehlenden Leistungssteigerung stoppen will. Als Nachweis führt Engelhardt auch das Gutachten des Verkehrswissenschaftlers Gerhard Heimerl von 1997 an. Schon in dieser Expertise betrage die Auslegungsleistung nur 32 Züge pro Stunde. Die Zahl selbst werde zwar nicht explizit genannt, so Engelhardt, in den Anlagen zum Gutachten könnten die maximal veranschlagten Züge aber nachgezählt werden. Die Zahl 32 liege auch den Personenstromanalysen der Jahre 1997, 2009 und 2012 zugrunde. Eine solche Leistungsfähigkeitsbetrachtung, um die verkehrlichen Anlagen richtig zu dimensionieren, mache nur Sinn, wenn mit realistischen Werten gerechnet werde.

Im Gegenzug seien die höheren Leistungswerte in anderen Gutachten „ausgesprochen inkonsistent“. Die darin genannten 39, 44, 49, 51, 60 oder rund 70 Züge pro Stunde seien unbelegt oder durch methodische Mängel überhöht. So habe der Gutachter Wulf Schwanhäußer zu kurze Haltezeiten angesetzt und später mit unzulässigen Kapazitätsreserven weitere Steigerungen errechnet. Das Gutachten von Ullrich Martin wiederum, Heimerls Nachfolger als Leiter des Verkehrswissenschaftlichen Instituts Stuttgart, weise bei einer Zahl von 51 Zügen noch kürzere Wartezeiten, einen viel zu kleinen Untersuchungsraum und ein unrealistisches Betriebsprogramm auf.

Bahn verweist auf den bestandenen Stresstest

Die Bahn selbst will sich an der erneuten Diskussion über die Kapazität des Tiefbahnhofs nicht beteiligen, so der Projektsprecher Wolfgang Dietrich. Die Leistungsfähigkeit des Bahnhofs sei vom Schweizer Gutachterbüro SMA im Stresstest eindeutig bestätigt worden. Zudem habe sich die Bahn die Mühe gemacht, die verkehrlichen Vorteile für 45 Kreise und 110 Bahnhöfe auf Basis des Fahrplans aus der Angebotskonzeption 2020 des Landes dazulegen. Auch hier sei das Ergebnis eindeutig, so Dietrich: „Acht Millionen Menschen profitieren von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke.“