Der Gemeinderat entscheidet in den nächsten Wochen, ob zwei beantragte Bürgerentscheide gegen Stuttgart 21 stattfinden. Es ist mit einem Nein der Stadträte zu rechnen – und mit weiteren juristischen Auseinandersetzungen.

Stuttgart - Nach ihrem Erfolg vor dem baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) will die Stadt in den nächsten Wochen klären, wie sie mit den zwei noch ausstehenden Bürgerbegehren zum Projekt Stuttgart 21 umgeht. Der VGH hatte am Montag die Rechtsauffassung der Stadt und des Verwaltungsgerichts Stuttgart bestätigt, wonach ein Bürgerbegehren aus dem Jahr 2011 unzulässig ist, mit dem die Gegner die Stadt zum Ausstieg aus dem Finanzierungsvertrag zu S 21 zwingen wollten. Der VGH befand auch die Mischfinanzierung als verfassungskonform, ließ wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage aber die Revision zu.

 

Noch offen sind das Bürgerbegehren Storno 21, das wegen der Kostenexplosion von 4,5 auf mindestens 6,5 Milliarden Euro einen Bürgerentscheid über den Ausstieg der Stadt aus der Finanzierung initiieren will, und das Bürgerbegehren Leistungsrückbau, das sich mit der nach Ansicht der S-21-Gegner geringeren Kapazität des neuen Tiefbahnhofs gegenüber dem bestehenden Kopfbahnhof befasst. Nach Angaben der Stadt soll über das Storno-Begehren am 20. und 21. Mai im Verwaltungsausschuss und in der Vollversammlung des Gemeinderats entschieden werden, nach den Pfingstferien über das Begehren zum Leistungsrückbau. Angesichts der Mehrheiten für Stuttgart 21 in den Gremien und der vom VGH bestätigten juristischen Einschätzung der Stadt wird damit gerechnet, dass der Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) dem Gemeinderat die Ablehnung der Bürgerentscheide in beiden Fällen vorschlagen wird und die Stadträte dem auch mehrheitlich folgen werden. Es gilt als sicher, dass die Initiatoren dann vor das Verwaltungsgericht ziehen werden.

„Wir erstellen derzeit die Vorlage und berücksichtigen dabei das aktuelle Urteil“, erklärte Andreas Scharf, der Sprecher von Oberbürgermeister Kuhn. Die Stadt sieht sich durch den VGH in ihrer Rechtsauffassung bestätigt. Dazu gehöre, dass die Beteiligung der Stadt sowohl dem Grunde wie der Höhe nach rechtmäßig sei und dass der Gemeinderat auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage entschieden habe.

S-21-Gegner sprechen vom „Erfolg des Widerstands“

Aber auch das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 sieht das VGH-Urteil positiv, obwohl die Klage scheiterte. Dies sei ein „bahnbrechender Erfolg des Widerstands“, sagte Eisenhart von Loeper, der Sprecher des Aktionsbündnisses und einer der Prozessvertreter. Mit dieser – zumindest auf den ersten Blick – überraschenden Einschätzung bezieht er sich darauf, dass der VGH wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zugelassen hat. Zwar sei damit der mit dem Bürgerbegehren gegen die Mischfinanzierung betriebene Ausstieg aus dem Projekt nicht vollzogen, er hänge nun aber wie ein Damoklesschwert über dem Fortgang der Bauarbeiten. „Stuttgart 21 kann in Leipzig scheitern“, glaubt von Loeper.

Der Jurist, der schon mehrfach erfolgreiche Urteile für Bürgerinitiativen erstritt, bewertet das VGH-Urteil auch deshalb positiv, weil die Stadt mit ihren Einwänden zu Frist- und Formfragen scheiterte. So machte der VGH-Senat deutlich, dass in diesem Fall die normale Sechs-Wochen-Frist für Bürgerbegehren nicht greife.