In den nächsten anderthalb Jahren will die Stadt erfahren, wie die Bürger die freiwerdenden Gleisflächen bebauen würden. Dabei spielt die Frage keine Rolle, ob die Grundstücke mit hohem Verlust verkauft werden könnten. Viele Stadträte haben die schriftliche Vorlage des Rathauschefs nicht verstanden.

Stuttgart - Der Verwaltungsausschuss hat mit einer Gegenstimme von Stadtrat Hannes Rockenbauch (SÖS-Linke-Plus) und einer Enthaltung von Stefan Urbat (Piraten) OB Fritz Kuhn (Grüne) aufgefordert, die Voraussetzungen für eine Beteiligung der Bürger bei der Planung des Rosensteinviertels zu schaffen. Im ersten Schritt wird ein Unternehmen gesucht, das der Stadt Vorschläge über Formen der Beteiligung macht. Danach wird der Auftrag ausgeschrieben und mit der Ideenfindung begonnen. Das dauert anderthalb Jahre.

 

So eindeutig wie das Ergebnis verlief die Debatte nicht. „Volltreffer, versenkt“, kommentierte Alexander Kotz den Verlauf. Der grüne OB habe endlich die Chancen des Projekts erkannt und die Abneigung gegen eine Überplanung des S-21-Geländes aufgegeben, so der CDU-Chef. Der Vorschlag einer Internationalen Bauausstellung sei übernommen worden. Und man habe einige Schwächen in der Beschlussvorlage benennen können. So war es im Ausschuss Konsens, die Auswahl der Agentur nicht allein der Verwaltung zu überlassen und den Startschuss nicht schon auf dieses Frühjahr festzulegen. Dass die Vorlage schwer verdauliche Kost darstellt, auch darin waren sich alle Fraktionen einig. Martin Körner (SPD) erinnerte Kuhn daran, dass er noch kurz vor der Kommunalwahl keine Notwendigkeit gesehen habe, jetzt schon an die Überplanung zu denken.

Der OB sieht bis zu drei Varianten

Der OB sieht am Ende der Bürgerbeteiligung bis zu drei Varianten, auf die die städtische Planung aufsetze. Nie wieder erhalte man die Chance, 100 Hektar zu entwickeln. Alle Beteiligten müssten an die Frage, wie eine zukunftsgerechte Planung aussehe, „mit großer Offenheit rangehen“. Wegen der Konflikte in der Stadt wünscht er sich „eine Mischung aus Bürgerbeteiligung und Mediation“. Die Frage nach den Grundstückspreisen solle die Ideensuche nicht beeinträchtigen.

Orientierung bot Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) mit dem Hinweis, es sei eine korrekte, wenn auch fiktive wirtschaftliche Betrachtung, einen Kaufpreis für die Bahngrundstücke von 1,17 Milliarden Euro anzunehmen. Diese Summe ergibt sich aus dem Grundstückswert aus dem Jahr 2012 und 212 Millionen Euro Zinsverzicht wegen der verspäteten Übergabe. In der städtischen Bilanz ist der Anfang 2000 tatsächlich gezahlte Betrag von 458,8 Millionen Euro vermerkt. Schon heute gebe die Stadt für geförderten Wohnungsbau Grundstücke unter dem Anschaffungswert ab. Beim S-21-Gelände müsste dies einmal „im Lichte der finanziellen Leistungsfähigkeit“ der Stadt bewertet werden. Wann das genau sein wird, vermag auch der OB nicht vorherzusagen. Er orientiert sich immer noch an der Aussage der Bahn, 2021 fertig zu sein. Einen oder zwei Fahrplanwechsel lang müssten die alten Gleise noch liegen bleiben, danach dauere es „einige Zeit“, bis das Gelände frei geräumt sei. Konkreter wird in dieser Frage Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD): Er spricht – je nach Teilgebiet – von zwei bis sechs Jahren nach der Übergabe.

Rockenbauch hält Vorlage für unzureichend

Grünen-Chef Peter Pätzold sagte, man diskutiere nicht nur über das Rosensteinviertel, also die Teilflächen B und C, sondern über das gesamte Areal. Er wolle den Bürgern die Wahrheit über die Kosten sagen: Bezahlbaren Wohnraum zu fordern sei legitim, es bedeute aber auch, auf mehrere Hundert Millionen Euro zu verzichten. Martin Körner (SPD) empfiehlt einen Bürgerentscheid über den Bebauungsplan – sofern das Land die Voraussetzungen dafür schafft. Dass die Ideen der Bürger nicht eins zu eins umgesetzt würden, hält Alexander Kotz dagegen für normal. Sie setzten aber „die großen Leitplanken“.

Von Rockenbauch erhielt Oberbürgermeister Kuhn für die Vorlage ein Ungenügend. Er hält es für unverantwortlich, die Bürger zu einem Zeitpunkt zu befragen, da der Tiefbahnhof noch nicht in trockenen Tüchern sei. Es brauche andere Prozesse. Bevor wieder nur über eine Fläche diskutiert würde, müsste die Frage, wie man in der Stadt leben und arbeiten wolle, generell geklärt werden. Er befürchtet, dass am Ende von den Ideen der Bürger nichts übrig bleibe.