Die Bahn kam, um dem Bezirksbeirat einen Fragenkatalog zu beantworten. Aber die Lokalpolitiker fühlen sich eher desinformiert – nicht zum ersten Mal.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Stuttgart-Mitte - Draußen vor dem Rathaus hören die Montagsdemonstranten, dass es letztlich die Liebe sein wird, die den Tiefbahnhof noch verhindert. Drinnen im kleinen Sitzungssaal ist die Wortwahl prosaischer, der Informationsgehalt des Gesprochenen aber nur unwesentlich höher. Der Bezirksbeirat Mitte hat vor drei Wochen einen Fragenkatalog zum Großprojekt eingereicht. Martin Schönbeck und Alfons Plenter von der Bahn sind gekommen, den abzuarbeiten. Dies offenkundig sogar, obwohl sie vermeintlich um ihre Gesundheit fürchten müssen: Die Polizei hat vor der Sitzung wissen lassen, dass sie zwei Beamte im Saal und zwei am Hintereingang des Rathauses postieren werde. Der Vordereingang wurde vorzeitig geschlossen.

 

Die Randbemerkungen der Bezirksbeiräte sind bissig

Der Dank für die Mühe sind bissige Randbemerkungen der Bezirksbeiräte. „Ich würde bitten, uns ernst zu nehmen“, sagt Annegret Breitenbücher. Das ist generell gemeint. „Ich fühle mich auf den Hebel genommen“, sagt Renée-Maike Pfuderer. Das bezieht sich auf die Auskunft, dass Unterkünfte für Bauarbeiter unnötig sind, weil das Personal in Stuttgart lebe. Ersin Ugursal benotet die von den Bahn-Experten präsentierten Pläne „mit einer glatten Fünf, mit denen kann nicht mal ich was anfangen“ – Ugursal ist Architekt. Die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle empfiehlt Plenter und Schönbeck, „sozusagen von der kleinen Schwester zu lernen“. Damit ist die SSB gemeint. Deren Planer hatten jüngst in einer Sitzung erklärt, wie sie den neuen Tunnel vom Haupt- in Richtung Nordbahnhof zu bohren gedenken. Kienzle bleibt keineswegs die einzige, die darauf verweist, dass nach der SSB-Präsentation keinerlei Fragen offen blieben. Nach der Bahn-Präsentation lässt sie ziemlich genau das Gegenteil protokollieren.

Dass Plenter statt vom Ameisenberg vom Ameisenhügel spricht, hätte in anderer Runde womöglich erheitert. In dieser nicht. Stattdessen fühlt die Bezirksvorsteherin sich genötigt zu erklären, „dass das Kernerviertel auch Gerichtsviertel genannt wird“. Die Kritik entspringt mehrheitlich den Reihen der Grünen, zu denen auch die Bezirksvorsteherin zählt, aber auch Christian Wulf (FDP) rügt das Gesagte , oder treffender: das Verschwiegene.

„Die Anwohner wollen wissen, wann der Bagger vor der Tür steht“, sagt Kienzle. Alles zu seiner Zeit. „Dafür ist es noch zu früh.“ Diesen Satz wiederholt Schönbeck immer wieder. Er verspricht, „sämtliche Fragen und Anregungen mitzunehmen“ und wiederzukommen. „Das ist die gleiche Aussage wie vor zwei Jahren“, sagt Kienzle.

„Wir haben ein legitimes Recht, informiert zu werden“

Der Christdemokrat Michael Scharpf, selbst Nachbar der Baustelle, klagt, „dass wir ein legitimes Recht haben, informiert zu werden“. Da ist er nicht der erste und bleibt nicht der letzte. Die Antworten auf solche Forderungen lesen sich so: „Wir müssen zu neuen Informationsformen kommen“; oder: „wir müssen einen bunten Mix fahren“. Die Bezirksbeiräte wären schon mit Althergebrachtem wie Flugblättern in alle Briefkästen zufrieden. Immerhin hatte die Stadt zu Informationsabenden eingeladen, bisher zu zweien. Sie wäre gern dorthin gegangen, sagt Kienzle, aber für den ersten habe sie gar keine Einladung bekommen, die für den zweiten sei einen Tag zuvor bei ihr angekommen – zu spät.

Die Bewohner des Ameisenbergs plagen im Wortsinn bohrende Fragen. In ihrem Namen wollen die Lokalpolitiker wissen, ob wegen der Grundwassersenkung Folgen für die Häuser zu erwarten sind. Nein, sagt Plenter, „es gibt keine Empfindlichkeiten, der Baugrund ist das gewohnt“. Wer mehr wissen will, möge sich ans Eisenbahnbundesamt wenden und Einsicht in die Gutachten beantragen. Die Bahn „will und wird sie nicht veröffentlichen“, sagt Schönbeck. Womit der Bundesbehörde im Zweifel einige neue Aufgaben aufgebürdet werden könnten: Gegen die Baupläne zum Tiefbahnhof gab es rund 4000 Einsprüche.

Mit besonderem Service darf in naher Zukunft zumindest eine Randgruppe rechnen: Sehbehinderte und Blinde. Wenn demnächst die Fußwege zum Bahnhof verlegt werden, können sie selbstredend die Umwegschilder nicht lesen. Als Hilfe ist ein vertonter Wegweiser in Arbeit. Den sollen sich Blinde selbst suchen – im Internet.